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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Reiter hinterher.
    Mit hängendem Kopf schlich Amos währenddessen durch den Stall und zurück auf den Hof. Er fühlte sich wie verprügelt, verstoßen, für wertlos erklärt. Die in Leder gebundene Handschriftwar
Das Buch der Geister
, das spürte er ganz genau. Kronus hatte sein Werk beendet und diese wertvollste aller Kostbarkeiten unverzüglich nach Nürnberg losgeschickt. Bestimmt sollte der Kurier das Buch auf direktem Weg zu jenem Hebedank in der Druckerei Koberger bringen – doch für diesen Botendienst hatte der weise Mann nicht Amos ausgewählt. Denn als Kronus ihn mit einem mehr oder weniger leeren Umschlag nach Nürnberg geschickt hatte, um seine Zuverlässigkeit und sein Geschick zu prüfen – da hatte er schmählich versagt. Aus Mitleid hatte ihm der alte Mann verschwiegen, wie sehr er seine Hoffnungen enttäuscht hatte – doch als es nun darum gegangen war, mehr als nur einen leeren Umschlag nach Nürnberg zu bringen, da hatte Kronus einen Kurier herbeigerufen, dem er wirklich vertraute.
    »Nichts davon ist wahr«, sagte hinter ihm Kronus. Amos wandte sich um und da kam der alte Mann vom Stall her mit raschen Schritten auf ihn zu. »Du hast dich von deinem Selbstmitleid mitreißen lassen und deshalb alles, was du eben mitangesehen hast, falsch ausgelegt.«
    Amos’ Wangen begannen zu glühen. Also hatte Kronus auch noch mitbekommen, dass er hinter der Stalltür gelauscht hatte? Dann war jetzt wirklich alles aus und vorbei. Hatte er den Gelehrten nicht vorhin noch fragen wollen, ob er künftig bei ihm wohnen dürfte? Wie lächerlich, dachte Amos. Wie sehr ich mich doch selbst überschätzt habe – Kronus braucht mich überhaupt nicht, oder allenfalls zum Ausmisten und Unkrautjäten. Wenn es um wichtigere Aufträge geht, vertraut er nicht mir, sondern einem Boten, auf den er sich wirklich verlassen kann.
    »Du bist für mich wie ein Sohn«, sagte Kronus. »Wie der Sohn, den ich niemals haben durfte, denn in meinen jungen Jahren habe ich als Mönch im Kloster gelebt, und im Grunde bin ich mein Leben lang ein Mönch geblieben.« Er stand jetzt ganz nah vor Amos und legte ihm seine Hände auf die Schultern. »Dass ich die heutige Sendung nicht dir anvertraut habe, hat einen besonderen Grund«, fuhr er fort. »Gerade jetzt brauche ich dich, Junge – nichtdirekt hier bei mir, denn auf meinem Hof wird es für dich allmählich zu gefährlich. Aber in meiner Nähe brauche ich dich unbedingt – da wäre es doch dumm von mir, dich ausgerechnet jetzt nach Nürnberg zu schicken, findest du nicht auch?«
    Er zog Amos an sich, kurz und federleicht, und Amos ließ es wie willenlos geschehen. Alles, was der alte Mann zu ihm gesagt hatte, klang in seinen Ohren nur wie billiger Trost. Als es darauf angekommen war, hatte Kronus nicht ihm vertraut, sondern jenem anderen.
    »Bis
Das Buch der Geister
gedruckt ist, wird es noch eine Weile dauern«, sagte Kronus. »Und bis dahin schwebt es in allergrößter Gefahr.« Er wandte sich um und ließ Amos mitten im Hof stehen. »Hast du uns heute kein Frühstück mitgebracht, Junge?«, rief er in munterem Tonfall über die Schulter zurück.
    Dafür bin ich Euch gerade gut genug, Herr, dachte Amos und schaute voller Bitterkeit hinter ihm her. So hätte er beinahe nicht mitbekommen, was der alte Mann ihm als Nächstes zurief:
    »Ich meine – nur für den Fall, dass du dich ein wenig stärken möchtest, bevor du die erste Geschichte liest.«
    Amos setzte sich in Bewegung, fast ohne es zu bemerken. Seine Füße begannen von selbst zu rennen, und im Nu war er bei Kronus und fast noch vor dem alten Mann im Haus. »Hier und jetzt, Herr? Aber habt Ihr das Manuskript nicht eben dem Boten mitgegeben?«
    »Die Abschrift, meinst du wohl. Ich habe das ganze Wochenende über und sogar die Nächte hindurch daran gearbeitet. Das Original würde ich niemals einem Boten anvertrauen, mit einer einzigen Ausnahme – dir.« Sein Lächeln wurde zum Strahlen. »Doch du bist für mich, wie schon gesagt, sehr viel mehr als ein Bote, Amos – mein geistiger Sohn.«
    Amos starrte ihn nur an. Er spürte, dass er jetzt irgendetwas sagen, dem alten Mann danken, sich seiner würdig erweisen sollte – aber in seinem Kopf fand er nichts, was hierfür auch nur im Mindesten geeignet gewesen wäre. Schweigend stand er da, mit heftigklopfendem Herzen, und sah zu, wie Kronus vor ein Regal trat und einige lose Blätter zwischen den Büchern hervorzog.
    Er ging zu seinem Pult, legte den schmalen Papierstoß darauf

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