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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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hinter ihnen sorgsam verschloss. Hannes fand sich in einem offenbar weitläufigen Gewölbe wieder. Im schwachen Kerzenschein war nur ein kleiner Ausschnitt davon zu sehen. Doch der reichte vollkommen aus, um ihn noch sehr viel mehr zu beunruhigen.
    Vor den Mauern des Gewölbes ragten, wohin er auch schaute, bis hinauf zur Decke eiserne Gitter auf. Geschäftig ging Skythis umher, zündete weitere Kerzen und einige Pechfackeln an, die vor den Gitterwänden bündelweise in Bodenlöchern steckten. Im aufflammenden Licht der Fackeln erkannte Hannes nun auch, was sich hinter den Eisenstäben befand.
    Der Mund blieb ihm beinahe offen stehen. Das hier war ein Bücherkerker!
    Jede einzelne vergitterte Mauernische in Skythis’ Kellergewölbe war bis in den allerletzten Winkel mit Schriftrollen, Papierstapeln, in Holz oder Leder gebundenen Manuskripten gefüllt.
5
    Das Buch der Geister
lag auf dem blanken Steinboden, unweit der Gitterwand neben einer brennenden Fackel. Jan Skythis hatte es mit einer zornigen Bewegung dort hingeschleudert, so als ob eres geradewegs dem Feuer übergeben wollte. Mittlerweile sah das Buch recht mitgenommen aus. Der helle Lederumschlag war mit Flecken übersät. Einzelne Blätter schauten zerknickt und halb aus der Heftung gelöst darunter hervor. Auch die Schnur, mit der Hannes das Buch nach der Begutachtung wieder umwickelt hatte, begann sich erneut zu lösen. Obenauf steckte der Registraturzettel, auf dem Mulhardt in der Rubrik »Status« mit seiner fast unleserlich verschliffenen Schrift eingetragen hatte: » Befreit «.
    Jan Skythis war auf einen Stuhl gesunken, der zusammen mit einem wackligen Pult schon fast die ganze Einrichtung darstellte. Einige Schritte entfernt stand noch ein Holzschemel, auf dem Hannes möglichst unauffällig Platz nahm, auch wenn Skythis ihn dazu nicht aufgefordert hatte.
    »Befreit«, murmelte der Unterzensor. »Kein Wunder, dass sie es freigeben wollen – nicht einmal ich habe gleich erkannt, wie abgrundtief dämonisch es ist.« Skythis sah noch abstoßender und furchterregender aus als gewöhnlich. Seine wölfisch schrägen Augen waren blutunterlaufen, sein Gesicht so grau, als ob er sich mit Staub eingerieben hätte. Soweit Hannes sein Gemurmel verstand, hatte der Unterzensor in den vergangenen Tagen »die Hölle durchwandert«.
    »Aber du hast es gespürt, Johannes?« Skythis sandte ihm einen flackernden Blick zu. »Also hast du doch darin gelesen?«
    Hannes verneinte stammelnd. Ohne Schnur oder Siegel zu lösen, habe er nur den Umschlag ein wenig weggebogen, hier und dort darunter gespäht und lediglich ein paar Satzfetzen zu lesen bekommen. Er sprang von seinem Schemel auf, fast ohne es zu bemerken, und näherte sich dem Unterzensor, wobei er beschwörend gestikulierte. »Nachts im Dunkeln lag es neben mir in der Kammer, Herr. Ich hörte ein Zischeln und Murmeln, das anscheinend aus dem Manuskript hervordrang, und ich sah Flammen, die zwischen den Blättern hervorleckten, silbrig wie der Mond und schimmelgrün.«
    Skythis sah ihn einen Moment lang düster an. Dann zog er, offenbar fröstelnd, die Pferdedecke vor seiner Brust zusammen und versank in Grübeleien. »Wie viele solcher Machwerke habe ich schon gelesen«, hörte Hannes ihn murmeln, »aber diesem hier kommt keines gleich. So harmlos verhüllt es sein Gift mit all dem Gefasel von der Liebsten im Schlossturm, dem geheimnisvollen Brunnen und so weiter und so fort.« Er schüttelte den Kopf. »Glaubst du, ich weiß nicht«, rief er unvermittelt aus, »dass sie sich in der Behörde über mich das Maul zerreißen? Dass sie mich den Poetenfresser nennen, der harmlose Possen und Romanzen nicht von wirklich gefährlichen Schriftwerken unterscheiden kann?«
    Auch er erhob sich nun von seinem Stuhl. Mit einer wütenden Bewegung schüttelte er die Decke von sich, war mit einem Satz bei Hannes und krampfte seine Hände vorn in dessen Gewand. »Natürlich sind die meisten erdichteten Schriftwerke vollkommen harmlos«, schrie er. »Höchstens kann man sich bei ihrer Lektüre zu Tode langweilen oder sich vor dem süßlichen Gefasel zugrunde ekeln!« Die Fackeln flackerten und fauchten. Die eingekerkerten Bücher antworteten mit vielstimmigem Zischeln und Seufzen, doch das bildete sich Hannes vielleicht nur ein.
    Zumindest ließ der Unterzensor ihn nun wieder los, und Hannes beeilte sich, einige Schritte Abstand zu gewinnen. »Aber bei manchen dieser Machwerke«, wütete Skythis weiter, »dient die öde oder zuckrige

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