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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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früh«, sagte Skythis, »bringst du dieses Schriftstück zum Predigerplatz. Hast du das verstanden, Johannes?«
    Doch Hannes schüttelte den Kopf wie im Krampf. Rückwärts bewegte er sich bis zur Gewölbetür und presste sich gegen das Gitter. »Bitte nicht, Herr«, stammelte er, »ich kann nicht.«
    Nicht nochmals eine ganze Nacht mit dem Machwerk in seiner Kammer verbringen. Die silbrigen Flammen sehen, das grässliche Gezischel hören müssen, das aus dem Papier aufstieg. Womöglich würde er sich doch noch hinreißen lassen und in dem Teufelswerk lesen, und dann würden die Dämonen … Er begann mit den Zähnen zu klappern.
    »So beruhige dich doch«, sagte Skythis. »Ich selbst kann das Buch nicht zur Inquisition bringen, das würde zu viel Aufsehen erregen. Und einem anderen Boten kann ich es auf keinen Fall überlassen. So bleibst also nur du. Aber vertraue mir, Johannes: Wenn du alles richtig ausführst, wird dir nichts Arges geschehen.«
    Hannes starrte ihn nur weiter aus großen Augen an. Er wollte dieses dämonische Ding nicht wieder mitnehmen, das war alles, was er denken konnte. Aber sogar das fiel ihm immer schwerer, denn in seinem Kopf begann es zu sausen.
    »Du wirst vollkommenes Stillschweigen über alles bewahren, was du hier bei mir gesehen und gehört hast«, ordnete Skythis an. Hannes nickte so krampfhaft, wie er eben noch den Kopf geschüttelt hatte. »Und gleich morgen früh gehst du also zur Inquisition«, fuhr der Unterzensor fort, »und übergibst das Buch dem Kirchenbeamten Leo Cellari. Wenn der Heilige Stuhl gegen diesen Kronus zu ermitteln beginnt, ist die kaiserliche Freigabe hinfällig und der Reichszensor muss das Verfahren gleichfalls neu aufrollen.«
    Er drückte Hannes das Buch gegen die Brust, und Hannes hielt es so zaghaft fest wie ein bissiges Tier, das man um keinen Preis aufwecken durfte.
    »Warte noch einen Augenblick«, sagte Skythis. Er ging zu seinem Pult, tunkte die Feder ein und warf einige Zeilen auf ein Blatt Papier. Im Zurückgehen faltete er den Brief nachlässig zusammen und reichte ihn Hannes. »Wiederhole, was ich dir aufgetragen habe.«
    Gehorsam sprach ihm Hannes alles nach. Er würde beim ersten Morgenlicht zum Predigerplatz gehen und das Buch mitsamt dem Brief für den Beamten Cellari abgeben.
    »Aber du musst es ihm persönlich übergeben, verstehst du?«, mahnte Skythis. »Wenn Cellari dich nicht sofort empfangen kann, musst du eben warten. Auf keinen Fall darf das Buch in falsche Hände geraten.«
    Hannes schluckte und nickte.
    »Gut so.« Der Unterzensor hob seine Hände, als ob er seinen Hilfsschreiber segnen oder umarmen wollte. Doch dann bedeutete er Hannes nur mit einer hölzernen Kopfbewegung, den Weg freizugeben. Umständlich schloss er die Gittertür auf und hinter ihnen beiden gleich wieder zu. Ohne ein weiteres Wort führte er den Hilfsschreiber nach oben, riegelte wiederum auf und öffnete die Tür nur eben weit genug, dass sich Hannes mitsamt seinem Bündel durch den Spalt zwängen konnte.
6
    A
n dem alten Abtshaus
in der Burgstraße, gleich hinter der Predigerkirche, gingen auch die papsttreusten Nürnberger Bürger nie ohne ein leises Frösteln vorbei. Früher einmal hatte es als Herrenhaus des nahe gelegenen Dominikanerklosters gedient, doch seit der Heilige Vater zum Heerzug gegen Ketzer und Hexen aufgerufen hatte, beherbergte der düstere, dreigeschossige Bau die Nürnberger Inquisition. Dominikanermönche hatten hier nach wie vor das Sagen, denn diesem glaubensstrengen Orden gehörten die höheren Inquisitionsbeamten allesamt an.
    Aus der nahezu schwarzen Fassade spähten schmale Fensterscharten argwöhnisch über den Kirchplatz. Vor Jahren hatte der Inquisitor Heinrich Kramer hier ein halbes Dutzend Hexen und Ketzer verbrennen lassen und angeblich war die Vorderfront des einstigen Abtshauses durch die Asche der Hingerichteten derart eingeschwärzt worden. Auch den schmierigen Glanz, der das Gemäuer überzog, führte man allgemein auf das damalige Strafgericht zurück: Fettige Qualmwolken seien von den Scheiterhaufen aufgestiegen und hätten sich als klebriges Schimmern auf die Mauersteine gelegt.
    So redeten jedenfalls die Leute, wenngleich nur hinter vorgehaltener Hand, und Hannes Mergelin glaubte den Gerüchten aufs Wort. Wieder andere behaupteten, das klamme Glitzern auf der dunklen Fassade rühre von dem Angstschweiß und den Tränen her, die im Innern des Gebäudes vergossen würden. Denn zu den oberirdischen Stockwerken kam noch

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