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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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eine unbekannte Anzahl von Kellergeschossen, in denen die Vernehmungsbeamten ihrem unerbittlichen Handwerk nachgingen. Tatsächlich drangen zuweilen Schreie aus den Tiefen des alten Abtshauses nach draußen und flatterten wie aufgeschreckte Vögel über den Kirchplatz, der mit seinen stattlichen Fachwerkhäusern und dem Brunnen in der Mitte ansonsten recht aufgeräumt wirkte.
    An diesem frühen Freitagmorgen aber lag der Platz still und friedlich da. Außer Hannes Mergelin waren erst wenige Leute unterwegs – Marktweiber zogen ächzend ihre Karren, ab und an hastete ein Bäckergeselle vorbei und der Nachtwächter blies gerade erst im Vorüberschlurfen seine Laterne aus und gähnte dann ausgiebig. Er konnte nun gleich in sein Bett schlüpfen und Hannes beneidete ihn von Herzen.
    Was ihn selbst betraf, er hatte abermals kein Auge zugetan. Was sich während der Nachtstunden in seiner Kammer alles zugetragen hatte, wusste er selbst nicht so genau. Seine Erinnerung war getrübt und seinetwegen durfte sie getrost noch ein wenig trüber werden. Abermals war aus dem Teufelsbuch jenes dämonische Zischelngedrungen, aber Hannes konnte und wollte sich nicht entsinnen, was darüber hinaus möglicherweise noch geschehen war. Weshalb die Schnur, die er am Abend nochmals sorgsam um das verfluchte Buch geknotet hatte, heute früh wie eine abgestreifte Schlangenhaut an seinem Türknauf gehangen hatte, während das Buch selbst neben seinem Bett am Boden lag. Bäuchlings und aufgeschlagen, so als ob gerade eben erst irgendwer darin gelesen hätte.
    Mit seinem Bündel auf der Schulter mühte sich Hannes die Stufen zum Portal des Inquisitionsgebäudes empor. Es war ein gewaltiges, zweiflügeliges Tor, wohl fünfzehn Fuß hoch, das glänzend schwarze Holz rotgolden beschlagen. Kunstvoll geschnitzte und bemalte Verzierungen stellten in vielerlei Szenen Ritter Georg dar, wie er mit dem Teufelsdrachen kämpfte: Der heilige Held durchbohrte die Bestie mit seinem Speer und hieb ihr mit dem Schwert die zahlreichen Häupter ab. Er zerstampfte den Kadaver mit den Hufen seines prachtvollen Rappen und löste schließlich mit einem wohlgezielten Schwertstreich die Fesseln, mit denen die bedauernswerte Jungfrau an die Überreste eines verkohlten Baums gebunden war.
    Auch wenn Hannes diese Szenen schon ein Dutzend Male bewundert hatte, ließen sie sein Herz auch an diesem Morgen höher schlagen. Jan Skythis, dachte er, ist genau so ein furchtloser Streiter gegen die Ausgeburten der Hölle, wenngleich die Bestien, die der Unterzensor jagt, für Nichteingeweihte harmlos aussehen mögen. Doch letztlich sind mit Dämonie vergiftete Bücher noch viel gefährlicher als Feuer speiende Drachen: Diese mögen ganze Städte einäschern und unglückliche Jungfrauen zu Dutzenden bei lebendigem Leib verschlingen – doch die Teufelsbücher zerstören das Kostbarste, was Menschen überhaupt besitzen. Sie stürzen den Verstand von seinem Thron und krönen stattdessen die schieläugige Fantasie zur Herrscherin über Leib und Seele. So verleiten sie die verblendeten Leser zu gotteslosem Lebenswandel, für den sie am Ende mit Höllenstrafen büßen. Denn die Einbildungskraftist eine Teufelsgehilfin, der Verstand aber, das Edelste im Menschen, macht uns den Engeln ähnlich.
    Hannes ließ den Klopfer niedersausen. Gleich darauf riegelte ein Dominikaner die schmale Tür auf, die in den rechten Torflügel eingelassen war. Doch der junge Mönch in schwarzer Kutte ließ Hannes nicht sofort ein, sondern blieb mit verschränkten Armen hinter der Schwelle stehen.
    »Gott und dem Kaiser zum Gruß«, sagte Hannes sein Sprüchlein auf. »Der Unterzensor Skythis schickt mich – mit einer dringenden Sendung für Leo Cellari.«
    Der Wächter streckte eine Hand aus. »Überlass es nur mir, mein Sohn. Sobald Cellari eintrifft, gebe ich alles an ihn weiter.«
    »Das darf ich nicht«, entgegnete Hannes. »Der Unterzensor hat mir befohlen, das Buch nur Cellari persönlich zu übergeben.« Er fühlte sich ein wenig schwindlig.
Das Buch der Geister
drückte auf seine Schulter wie ein Buckel aus Stein. Am liebsten hätte er dem hochmütigen Mönch sein Bündel einfach vor die Füße geworfen, aber das ging natürlich erst recht nicht.
    »Also wieder ein Buch.« Der Dominikaner schüttelte leicht den Kopf, machte aber einen halben Schritt zur Seite und gab den Weg frei. Er war von schlaksiger Gestalt und so kalkiger Blässe, als ob er niemals bei Tageslicht ins Freie käme. Obwohl er Hannes

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