Opus 01 - Das verbotene Buch
Cellari empor. »Wenn sich alles so verhält, heiliger Herr – warum habt Ihr dieses Verwirrspiel mit mir getrieben?«
Der Inquisitor stellte seine Beine nebeneinander, stützte seine Ellbogen auf die Knie und beugte sich weit nach vorn. »Stellt Euch nicht dumm, Heribert. Ihr wisst es längst.«
»Und wenn Ihr mich teert und vierteilt, Eminenz, ich begreif ’s nicht.« Der Ritter schüttelte den Kopf. »Wärt Ihr mit Eurer Streitmachtvor meinem Burgtor aufmarschiert oder hättet Ihr mich, um ganz sicherzugehen, mit all Euern Kriegern unten auf der Straße umzingelt – so könntet Ihr längst wieder auf dem Rückweg nach Nürnberg sein, mit einem allerdings zu Unrecht Verhafteten im Schlepp.«
»Nun denn, um den Rechten verhaften zu können, mussten wir ein wenig mehr Aufwand betreiben.« Cellari lehnte sich wieder zurück. Schon öffnete er den Mund, zweifellos um weitere Zierreden zu drechseln, doch nun hielt es Jan Skythis nicht länger auf den Stufen vor dem Wehrturm.
Der Unterzensor stieß einen heiseren Laut aus, bei dem Hannes zusammenfuhr. Er sprang auf und war mit zwei Schritten bei dem knienden Ritter. »Es geht nicht um dich, feister Blutsauger – es geht um Kronus.«
Ritter Heribert brauchte einige Augenblicke, um diese Wendung zu verdauen. Seine Miene erschlaffte, seine Augen suchten abwechselnd Cellari und den Mann im staubgrauen Gewand, der ihm die Neuigkeit zugebellt hatte. »Der Alte also«, brachte er schließlich hervor. »Hab ich doch seit Langem geahnt …« Er biss sich in den Bart.
»Nun, Heribert«, ließ sich der Inquisitor in munterem Tonfall vernehmen, »man braucht gewiss keine übernatürlichen Kräfte, um den Gedanken an Eurer Stelle fortzuführen: Wer dem ärgsten Ketzer dieser Erde Unterschlupf gewährt, muss allerdings mit einem bösen Ende rechnen.«
»Dem ärgsten Ketzer?«, heulte der Ritter auf. »Aber ich schwöre Euch, Euer Heil…«
Mit einer sägenden Handbewegung schnitt ihm der Unterzensor das Wort ab. »Valentin Kronus«, sprach er, »ist der Mensch gewordene Satan.«
Vollkommen entgeistert sah der Ritter vom einen zum anderen. Den Kopf weit in den Nacken gelegt, die Hände wie bettelnd emporgereckt. Doch Cellari beachtete ihn überhaupt nicht – mit einem sinnenden Lächeln beobachtete er Skythis, so als ob derUnterzensor einer schwer zu begreifenden, wenn auch im Ganzen gutartigen Spezies angehörte.
»Seit Jahrzehnten«, bellte Skythis unterdessen auf den Ritter hinab, »haltet Ihr diesen Dämon auf Eurem Grund und Boden versteckt!«
Heribert schüttelte nur aufs Neue den Kopf. Sein Mund ging auf und zu, doch außer einem lang gezogenen Seufzer drang nichts mehr daraus hervor.
»Und eben deshalb«, erklärte Cellari abschließend, »haben wir diese kleine Intrige ersonnen – damit weder Ihr noch irgendeiner Eurer Leute Gelegenheit findet, den alten Teufel zu warnen.« Bei »wir« machte er eine Armbewegung in Skythis’ Richtung, aber der Unterzensor sah mit steinerner Miene an ihm vorbei. »Morgen in aller Frühe«, fuhr der Inquisitor milde lächelnd fort, »wird das Teufelsnest ausgeräuchert, und bis dahin, Ritter Heribert, bleibt Burg Hohenstein mit allem lebenden und toten Inventar im Gewahrsam der Kirche Christi. Unterlasst alles, was unsere Unternehmung gefährden könnte, so will ich höchstselbst bei der Hohen Gerichtsbarkeit ein Wort für Euch einlegen. Übt Ihr oder einer Eurer Leute aber Verrat, so sollt Ihr mit dem Tod dafür büßen.«
»Alles, wie Ihr befehlt … alles, Euer Heilig…«
Während der Ritter zu seinen Füßen noch Formeln der Unterwerfung stammelte, wandte sich Cellari bereits von ihm ab. Er erhob sich und sein Blick suchte seine Gehilfen, die im Schatten an der Turmmauer lehnten. Alexius so reglos wie ein Sinnbild himmlischen Richtertums, während Meinolf ein ums andere Mal nach seinem Kurzschwert fasste und die Flecken auf seinen Wangen wie Feuermale brannten.
8
»
S
o versteh doch, Oda
– ich muss Kronus warnen.«
Auf der Turmtreppe unter die Fensterluke geduckt, hatten sie alles mit angehört, was im Burghof gesprochen worden war. Amos war außer sich vor Sorge – um den alten Mann und
Das Buch der Geister
, um Oda und natürlich auch um sich selbst. Aber sogar wenn es ihn sein eigenes Leben kosten würde – er durfte Kronus nicht im Stich lassen.
»Aber er ist ein Ketzer«, rief Oda aus, »du hast es ja selbst gehört!«
»Leise, um Himmels willen.« Er hatte sie in ihre Kammer gezogen und die Tür
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