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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Meinolf seinen Schimmel mit zierlichen Schritten auf der Stelle tänzeln ließ. Dabei sah er mehrfach zu Hannes herunter, doch sowie der seinen Blick auf den flachsblonden Dominikaner richtete, schaute Meinolf hastig wieder fort. Seine sonst kalkweiße Haut wies rote Flecken an Hals und Wangen auf, was von der Sonne, aber auch von inneren Erhitzungen herrühren konnte.
    »Und wenn wir uns weigern, Euer Heiligkeit?« Das war die raue Stimme des Hauptmanns mit dem Narben-X, der den Armbrustschützen an den Baum gespießt hatte. »Dann bleibt Euch nichts übrig, als wieder abzuziehen – oder stürmt Ihr dann mit fünf Kriegern und Eurem Einohrigen die Burg?«
    Der Einohrige – Gregor – war im Eisenwagen am Fuß des Burghügels zurückgeblieben, mit einem Pflaster aus Pflanzenpaste auf seiner Wunde, das er aus der Truhe unter seinem Kutschbock hervorgezaubert hatte. Skythis hatte ihm streng befohlen, der Burg fernzubleiben. »Ich weiß, dass du sonst den Hauptmann töten würdest«, hatte er zu seinem Kutscher gesagt. »Und du weißt, dass ich dich dann aus unserem Bund verstoßen müsste: Wir sind Jäger, Gregor, keine Mörder.«
    Düstere und rätselhafte Worte, doch der Unterzensor hatte sie offen vor Hannes ausgesprochen und dabei auch noch bedeutungsvoll vom Kutscher zum Hilfsschreiber gesehen. So als ob Hannes ihrem Bund bereits angehörte.
    Seit sie vor dem Burgtor angekommen waren, hatte Skythis mit grimmiger Miene geschwiegen, wie er es meistens machte. Doch nun dauerte ihm das Wortgeplänkel zwischen Cellari und den Burgherren offenbar zu lang. »Im Namen des Kaisers, öffnet augenblicklich«, stieß er hervor, »oder wir fordern vom hiesigen Amtmann Verstärkung an und brennen Euer Gemäuer nieder!«
    Wieder wurde hinter dem Burgtor beratschlagt. Mit spöttischem Lächeln sah der Inquisitor auf den um einen Kopf kleineren Skythis hinab. »Die Verstärkung ist bereits eingetroffen«, sagte er. »Wenn Ihr Euch überzeugen wollt, Ritter Heribert?« Er gab seinem Gehilfen ein Zeichen und Alexius hob die Fanfare an seine Lippen und blies einen dramatisch aufsteigenden Dreiton.
    Augenblicklich wurde ihm von drinnen geantwortet, mit denselben drei Tönen, die nur diesmal in umgekehrter Folge erschallten. Und noch in den Klang der zweiten Fanfare hinein setzte in der Burg ein Fluchen und Jammern aus Dutzenden rauer Kehlen ein: »Verflucht noch eins, die Kerle sind schon drinnen!«, schrie der Hauptmann. »Da – und da drüben – der Wehrwall wimmelt von dem Geschmeiß!« Alles heulte und brüllte nun durcheinander. Hinter dem Tor wurde wild umhergerannt und -geritten. »Nieder mit den Pfaffenkriegern!« Dann erklang kurz hintereinander mehrere Male jenes stählerne Sirren, das Hannes unten im Getümmel schon einmal gehört hatte.
    Beinahe im selben Moment begannen mehrere Räuber buchstäblich wie am Spieß zu schreien, und in das höllische Geheule hinein brüllte Ritter Heribert: »Um der Barmherzigkeit willen, haltet ein – wir geben uns geschlagen!«
    Wieder gab Cellari seinem Gehilfen ein Zeichen. Der Dreiton, den Alexius diesmal seiner Fanfare entlockte, klang wie das Jubilieren der Engel im Himmel und abermals antwortete ihm von drinnen ein zweiter Bläser mit der gegenläufigen Melodie.
    Über dem Tor erschien nun ein weißer Tuchfetzen, an einer Lanze in die Höhe gereckt. Quietschend senkte sich die Zugbrücke über den Graben und mit eleganter Gebärde fasste Cellari den Unterzensor beim Ellbogen und schritt Seite an Seite mit ihm durchs Tor.
    Doch Skythis’ versteinerte Miene machte Hannes nur allzu klar, dass er sich von Cellari übertölpelt fühlte: Von den Plänen des Inquisitors hatte er offenbar nicht das Geringste gewusst. Von dem Katz-und-Maus-Spiel, mit dem Cellari die Räuber unten aufder Straße festgehalten hatte, so wenig wie von dem zweiten Soldatentrupp, der währenddessen seelenruhig in die Burg eingedrungen war.
7
    D
ie beiden jungen Dominikaner
hatten einen Sessel aus dem Palas ins Freie getragen und den speckigen Fellüberwurf mit einer Decke aus Purpurdamast verhüllt. Auf diesem improvisierten Richterthron saß der Inquisitor, ein Bein über das andere geschlagen. Zwei Schritte vor ihm kniete Ritter Heribert im Staub seines eigenen Burghofs.
    »Es war ein Versehen, Euer Heiligkeit«, jammerte der Ritter, »nie und nimmer hätte ich Euch behelligt, wenn ich geahnt hätte, was für einen heiligen Herrn die Kutsche beherbergt.«
    Wie eine Schafherde, die von Wölfen umkreist wird,

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