OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Geschichte vorgelesen habe, wird er wie verwandelt sein.
Fragt sich nur, in was verwandelt, dachte Amos.
Aber für weitere Wortwechsel, ob laut oder stumm, war es jetzt ohnehin nicht die passende Zeit: Da drinnen in der Kammer schwang Johannes abermals den Hammer und diesmal erzitterte die ganze Hütte unter seinem Hieb. Er versuchte offenbar, sich einen Weg durch die hölzerne Außenwand zu hauen – und obwohl er schwächlich und ausgezehrt war, würden die Bretter bestimmt nicht mehr lange standhalten.
Gib mir das Gewehr . Amos griff nach der Waffe, aber Klara drehte sich rasch von ihm fort.
Versprich mir, dass du nicht auf ihn schießt.
Versprochen , gab Amos zurück, jedenfalls solange der Kerl nicht mit seinem Hammer auf mich zielt . Er nahm Klara das Gewehr ab und stürmte auf das Kammertürchen zu. »Johannes?« Er rüttelte an der Tür, aber der verdammte Bursche hatte sie anscheinend von innen mit irgendeinem Gegenstand verkeilt.
Johannes’ Antwort bestand aus einem weiteren gewaltigen Hammerhieb. Holz knirschte und splitterte, und als Amos sein Ohr an das Türblatt legte, hörte er Johannes auf eine Weise winseln, die überhaupt nicht ängstlich klang. Sondern sehr viel eher nach Jubel und Triumph – so als ob er die ersten Bretter bereits weggehauen hätte und durch die Bresche nach draußen sehen könnte.
»Johannes!«, rief Amos. »Mach sofort auf – sonst schieße ich durch die Tür!«
Auf Burg Hohenstein war er wie die anderen Knappen von Hauptmann Höttsche nicht nur im Ringen und im Schwertkampf, sondern auch im Schießen ausgebildet worden. Aber er hatte sich so oft wie möglich davor gedrückt, und das Schießen hatte ihm sogar noch weniger gefallen als die anderenKampfkünste, bei denen es wenigstens einigermaßen ritterlich zuging.
Johannes stieß eine Folge von Jaul- und Wimmerlauten aus und kurz darauf krachte aufs Neue ein Hammerschlag gegen die Wand. Lehmbrocken rieselten von der Decke auf ihre Köpfe nieder und Amos hatte jetzt wirklich genug.
Er drehte das Gewehr herum und drosch mit dem eisenbeschlagenen Kolben so fest er nur konnte auf die Kammertür ein. Das dünne Lattenholz zersplitterte schon beim ersten Hieb, und durch das gezackte, mehr als faustgroße Loch konnte Amos den anderen Jungen sehen, wie er in der Ausholbewegung erstarrte. Von zwei Kerzen beschienen, den Hammer hoch über seinen Kopf erhoben. Unter dem hochgerutschten Lumpenhemd schauten seine knochenspitzen Hüften hervor, mit einem darumgeschlungenen Strick, der ihm als Gürtel diente. Und mit dem
Buch der Geister
, das er sich vorn in den Hosenbund geschoben hatte.
»Leg den Hammer weg«, sagte Amos. »Und komm jetzt sofort da raus.« Durch das Loch in der Tür hindurch zielte er auf Johannes, der neuerlich zu winseln begann. Jetzt aber klang sein Geheule überhaupt nicht mehr nach Triumph.
Folgsam ließ er den Hammer fallen und humpelte mit hängenden Schultern auf Amos zu. Sein Gesicht war staubgrau und glitzerte vor Schweiß. Obwohl er einen gewaltigen Krach veranstaltet hatte, war es ihm lediglich gelungen, ein einziges schmales Brett aus der Wand herauszuhämmern. Und jetzt waren seine Kräfte offenbar vollkommen erschöpft. Er hob seine Hände und sie zitterten wie im Fieberkrampf. Unbeholfen machte er sich an dem Balken zu schaffen, mit dem er sich von innen verbarrikadiert hatte. Endlich gingen die Überreste des Türchens auf und wieder warf sich Johannes auf die Knie, den Kopf tief gesenkt und die Arme seitlich weggestreckt wie Vogelflügel.
In einer Hand hielt er
Das Buch der Geister
. Amos nahm es ihm weg und Johannes ließ es wie willenlos geschehen.
Er weint , sagte Klara. Sie war neben Amos getreten und sah voller Mitleid auf die zuckende Gestalt hinunter. Lass mich ihm jetzt vorlesen. Dann wird er nie wieder versuchen, uns zu hintergehen .
Amos war sich da keineswegs so sicher.
7
E
r liess Johannes und Klara
nicht aus den Augen, während die beiden es sich auf dem Bärenfell behaglich machten. Sie setzten sich nebeneinander, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, und Amos musste eine weitere brennend heiße Eifersuchtswelle niederkämpfen.
Dabei kam er sich selbst vollkommen kindisch vor. Und geradezu empörend ungerecht gegenüber Klara – als ob sie für dieses winselnde Knochenbündel irgendetwas anderes empfinden könnte als Mitgefühl! Und als ob Johannes überhaupt jemals ein Rivale in Liebesdingen sein könnte. Kindisch und lächerlich, sagte sich Amos wieder, während er sich
Weitere Kostenlose Bücher