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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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auf einen der Stühle am Fenster fallen ließ.
    Doch das Gewehr lehnte er griffbereit neben sich an die Wand. Man konnte schließlich nie wissen. Er gähnte verstohlen und die Kerze vor ihm auf dem Tischchen flackerte müde zurück. Am liebsten hätte er die Arme vor sich auf die Tischplatte gelegt und den Kopf darauf gebettet. Aber das ging nicht. Eigentlich sollten sie längst wieder unterwegs sein – so weit wie möglich weg von diesem Ort, an dem der Inquisitor Cellari als Erstes nach ihnen suchen würde. Spätestens morgen Nachmittag oder Abend würde er seine Purpurkrieger aussenden, um herauszubekommen, wo die beiden Soldaten von Fürstbischof Georg mit ihrem Gefangenen abgeblieben waren. Klara und er selbst mussten dann weit, weit von hier weg sein und die Häscher des Inquisitors durften nicht den kleinsten Hinweis entdecken, in welche Richtung sie diesmal geflohen waren.
    »Die Nacht war lange schon hereingebrochen«,
so begann Klara unterdessen vorzulesen,
»doch Laurentius Answer stand noch immer vor dem kreisrunden Spiegel. ›Edle Dame, schenkt mir Euer Herz‹, flüsterte er und streckte sehnsuchtsvoll seine Arme nach der Liebsten aus. Zumindest schien es ihm im ungewissen Kerzenlicht, dass der Spiegel neben ihm selbst auch seine Geliebte zeigte. ›Immer will ich Euch lieben, nie Euch bekümmern, Lucinda.‹ Laurentius beugte sich ihr entgegen, schloss die Augen und stülpte seine Lippen vor, um die Dame seines Herzens zu küssen. Doch statt der warmen, weichen Wange von Lucinda fühlte er an seinem Mund die kalte Härte von Metall. Er hob die Lider. Der Spiegel war von seinem Atem beschlagen, und als Laurentius ihn mit der Hand blank reiben wollte, da fuhr er mit dem ganzen Arm bis zur Schulter wie in einen Eimer voll Wasser hinein.
    Doch das konnte eigentlich nicht sein. Denn Laurentius Answer war vor Monatsfrist erst zum Ritter geschlagen worden, nachdem er seinem Herrn, dem Grafen Leonhard von Wallenfels, vier Jahre lang treu als Page gedient hatte. Und der Spiegel, vor dem Ritter Laurenz seither in jederfreien Stunde stand, war nichts anderes als der blanke Schild, den ihm Leonhard zusammen mit dem Erbschwert seiner Väter übergeben hatte: ›Das Schwert aus Blitzen gehämmert, der Schild ein geschmiedeter Mond – erweist Euch ihrer würdig, Ritter Laurenz!‹«
    Klaras gleichmäßiges Murmeln und das Rascheln der Buchseiten schläferten Amos noch weiter ein. Klara hatte ihm erzählt, wie es ihr ergangen war, als Mutter Sophia ihr im Kloster Mariä Schiedung die beiden ersten Geschichten vorgelesen hatte. Die Geschichten selbst waren ja ziemlich kurz – jede kaum zwei Dutzend Buchseiten lang. Das Vorlesen war deshalb jeweils nach einer halben Stunde zu Ende gewesen, aber davon hatte Klara nichts mitbekommen. Sie selbst war jedes Mal erst viele Stunden späteraus der magischen Welt der Geschichten zurückgekehrt – so wie es auch Amos ergangen war, als er
Vom Ritter, der seine Liebste hinter dem Spiegel fand
und
Von der Frau, die im Brunnen wohnte
selbst gelesen hatte. Er war schon nach den ersten Sätzen vollkommen in jenen Ritter Laurentius verwandelt gewesen und hatte ganz und gar vergessen, dass er eigentlich jemand anderes war, ja dass es außerhalb der Welt von Ritter Laurentius überhaupt noch eine andere Wirklichkeit gab.
    Draußen vor der Jagdhütte hatte sich unterdessen die Nacht herabgesenkt. Vor morgen früh kamen sie hier nicht mehr weg – im unwegsamen Dickicht war es schon bei Tage mühsam genug, sich einen Pfad zu bahnen. Aber beim allerersten Morgenlicht mussten sie sich schleunigst davonmachen.
    Fragte sich nur, wohin. Wo auf dieser Welt gab es für Klara und ihn überhaupt noch ein Fleckchen, auf dem sie halbwegs in Sicherheit wären? Und was sollten sie mit dem verrückten – oder dann hoffentlich nicht mehr ganz so verwirrten – Johannes beginnen? Ihn etwa mitnehmen, in ihre Pläne einweihen, ihm bedingungslos vertrauen? Nein, dachte Amos, unmöglich.
    Er hoffte sehr, dass Klara ihm in diesem Punkt zustimmen würde. Bisher waren sie eigentlich immer einer Meinung gewesen – aber mit Johannes in ihrem Schlepptau würde das wahrscheinlich nicht mehr so sein. Natürlich hätte es einige Vorteile, den Spürhund der Bücherjäger auf ihrer Seite zu wissen, ihn zumindest ständig im Auge behalten zu können, sodass er den Unterzensor Skythis nicht wieder auf ihre Fährte lenken könnte. Aber würden sie es wirklich schaffen, Johannes bei Tag und Nacht so zu überwachen,

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