Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
unter dem Lumpenhemd hervorstachen. Und erst als Klara plötzlich neben ihnen beiden auftauchte und mit schreckverzerrtem Gesicht auf sie herabsah – erst da wurde Amos bewusst, dass der Junge unter ihm keinen Muckser mehr machte.
    Den Kopf seitlich aufs Bärenfell gebettet, lag Johannes Mergelin da, als ob er tief und fest schliefe. Aus einer Wunde über seinem linken Ohr, die wie eine Sternschnuppe geformt war, rannen dicke, leuchtend rote Tropfen und fielen einer nach dem anderen auf das zottig braune Fell hinab.
    »Oh mein Gott, Klara«, stieß Amos hervor, »ich habe ihn doch nicht umgebracht?«
6
    G
erade als Johannes
seine Augen wieder aufschlug, wurden Amos und Klara mit den letzten Vorbereitungen fertig.
    Klara hatte die Verletzung an Johannes’ Schläfe untersucht und mit einem Fetzen von seinem Lumpenhemd verbunden. Glücklicherweise war es nur eine harmlose kleine Fleischwunde, allerdingsumrahmt von einem blau-lila schillernden Bluterguss. Anschließend hatten sie den Ohnmächtigen aufgerichtet und mit dem Rücken gegen das Kamingitter gelehnt. Amos hatte
Das Buch der Geister
in der Vorratskammer neben dem Küchenherd versteckt – dort war es zwar nicht wirklich sicher, denn Johannes besaß ja die eigentümliche Gabe, das Geisterbuch auch über große Entfernungen zu erspüren. Aber zumindest konnte er es sich so nicht einfach schnappen und damit aus der Tür rennen – die Vorratskammer lag am Ende der Küchennische, und falls er wirklich bis dorthin vordringen würde, könnten sie ihm leicht den Weg nach draußen abschneiden.
    Aber eigentlich glaubte Amos nicht, dass es so weit kommen würde.
    Johannes’ Blicke glitten von Amos zu Klara. Sie mussten beide ziemlich furchterregend aussehen – Amos hielt einen gewaltigen Eisenhammer in den Händen, Klara zielte mit dem Gewehr des Jägers auf Johannes’ Herz.
    »Pass gut auf, Johannes«, sagte Amos. »Du wirst jetzt diese beiden Schlösser an meinen Ketten aufbrechen, wie du selbst es vorhin angekündigt hast. Wenn du deine Sache gut machst, liest dir Klara zur Belohnung die erste Geschichte aus dem
Buch der Geister
vor – von vorne bis hinten und alle Sätze in der richtigen Reihenfolge. Damit auch in dir drinnen alles wieder in die rechte Ordnung kommt. Hast du das verstanden?«
    Johannes’ Augen sahen glasig aus. Sein Blick flackerte zum Tisch hinüber, dann zurück zu Amos und Klara. »Und wenn nicht?« Es klang wieder mehr nach tierischem oder geisterhaftem Winseln als nach Menschensprache. »Dann schlägst du mich tot?« Er sah zu Klara auf und sein Gesicht nahm einen unterwürfigen und gleichzeitig heimtückischen Ausdruck an. »Mit diesem zugeschlagenen Buch?« Er deutete mit seiner verbundenen Schläfe zu Amos.
    »Lass es besser nicht drauf ankommen.« Klara hob das Gewehr ein wenig weiter an. »Also? Wofür entscheidest du dich?«
    Eine ganze Weile lang schaute Johannes nur brütend in Klaras Augen. Amos wollte schon wieder dazwischenfahren, aber Klara beschwor ihn: Warte noch – ich spüre, dass er gleich so weit ist .
    Im nächsten Moment machte Johannes seinen Mund auf und diesmal klang seine Stimme wieder ganz klar. »Für
Das Buch
«, sagte er zu Klara. »Ich schlag es für dich auf.«
    Das klang allerdings nicht allzu beruhigend, aber Amos hatte jetzt einfach keine Lust und keine Geduld mehr, sich mit Johannes’ verdrehten Gedanken und zweideutigen Anspielungen zu beschäftigen. Er wollte endlich diese elenden Ketten loswerden, nichts anderes interessierte ihn in diesem Moment. Und was sollte schließlich auch Schlimmes passieren? Klara zielte mit dem Gewehr auf Johannes’ Kopf – und falls er nicht glaubte, dass sie notfalls schießen würde, musste ihm mindestens klar sein, dass er die Geschichte
Vom Ritter, der seine Liebste hinterm Spiegel fand
nur dann zu hören bekommen würde, wenn er vorher machte, was sie von ihm verlangten.
    Amos sah ihn eindringlich an, sagte aber kein Wort mehr. Er reichte Johannes den Hammer und klaubte anschließend den kleinfingerdicken Nagel aus den Bärenfellzotteln, den Klara auch noch vorn in der Truhe aufgetrieben hatte.
    Johannes nahm Hammer und Nagel entgegen, gleichfalls ohne ein weiteres Wort. Amos kauerte sich vor ihn hin und legte seine Unterarme vor sich auf den Boden – zwischen seinen flach aufeinander gepressten Händen das verdammte Schloss, mit dem vermaledeiten Schlüsselloch nach oben.
    »Ha, bist wohl ein Buch«, murmelte Johannes wieder. Er stocherte mit der Nagelspitze in dem

Weitere Kostenlose Bücher