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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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geschleppt.
    Sie fühlten sich beide so kribblig überwach, wie man nur sein kann, wenn man vollkommen übernächtigt ist. Sie würden kein Auge zubekommen, bevor sie nicht den letzten Satz der vierten Geschichte niedergeschrieben hätten, das war ihnen beiden ganz und gar klar. Und danach würden sie Tag und Nacht schlafen, ohne zwischendurch auch nur ein einziges Auge ein einziges Mal zu öffnen.
    »Kurze Pause?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er Klara bei der Hand und zog sie durch die zertrümmerten Überreste von Kronus’ einstiger Schreibstube hinaus auf den Hof. Ihre Pferde grasten auf der Weide hinter dem Gründleinsbach. Auch von dem Stall waren nur ein paar rußige Balken und Bretter übrig geblieben, und es war seltsam für Amos, dass man nun vom Hof aus die kleine Brücke und dahinter die Wiese sehen konnte.
    »Da drüben ist der Ausstieg aus dem Geheimgang«, sagte er und zeigte auf den Waldrand hinter der Pferdeweide, »und gerade dort war Johannes an einem Baum festgebunden – wie ein Hund.«
    »Armer, verrückter Johannes«, sagte Klara leise.
    Ihnen beiden wurde wieder ganz wehmütig ums Herz. Johannes hatte sich wirklich für sie geopfert. Wahrscheinlich glaubten Skythis und Cellari, dass auch Klara und Amos ums Leben gekommen waren, als das Schießpulver explodiert war. Längst mussten sie ja die Einsiedelei mit der offenen Kuppel und dem drinnen an die Wand gelehnten Holzbalken entdeckt haben. Vermutlich sah für sie alles nach einem Fluchtplan aus, den Amos und Klara zusammen mit Johannes ausgeheckt hatten – und der dann auf schreckliche Weise gescheitert war.
    Jedenfalls hoffte Amos, dass sich die Ketzer- und die Bücherjäger alles so zurechtlegen würden. Auch Trithemius und Faust mussten sie ja in dem unterirdischen Felsgelass mittlerweile aufgespürt haben. Der Abt würde gewiss all seine Überzeugungskraft aufbieten, damit ihm Cellari und Skythis glaubten, dass das Geisterbuch verbrannt war. Trithemius und Faust würden bestimmt nicht so bald aufhören, nach Amos und Klara zu suchen. Aber für den Inquisitor und mehr noch für den Unterzensor würden sie jede Bedeutung verlieren – zwei junge Leute von eben sechzehn Jahren, die von den Geheimnissen des Opus Spiritus nur wenig zu wissen schienen. Und die
Das Buch der Geister
, das sie im Auftrag der Bruderschaft retten sollten, stattdessen eigenhändig zerstört hatten.
    Hand in Hand gingen sie zum Brunnen hinüber, und Amos ließ den Eimer hinab und füllte ihn mit köstlich kühlem Wasser. Sie formten ihre Hände zu Schalen und tranken, sie spritzten sich gegenseitig nass und jagten einander lachend über den Hof. Und doch vergaßen sie keinen Moment lang, dass der weitaus größte und schwierigste Teil ihrer Aufgabe noch vor ihnen lag.
    Vor dem windschiefen Zaun, der Kronus’ Gemüsegarten umgab, blieb Amos stehen und ließ sich bereitwillig von Klara fangen. Sie hängte sich bei ihm ein, und einen Augenblick lang schauten sie zu dem rechteckigen Loch hinüber, das Amos heute früh in Kronus’ Gewürzbeet gegraben hatte.
    Die massive Eichenkiste war noch an ihrem Ort gewesen, und der alte Mann hatte sie so sorgsam mit Pech überzogen, dass weder Feuchtigkeit noch Ungeziefer ihr etwas anhaben konnten. »So wie diese Kiste habe ich mir als kleines Mädchen immer die Arche Noah vorgestellt«, hatte Klara gesagt. »Viel größer natürlich – aber in meiner Fantasie hatte Noah gerade so eine schwimmende Festung gezimmert, um Menschen und Tiere vor der Sintflut zu retten.«
    Amos hatte still für sich gedacht, dass Kronus eigentlich immer
Das Buch der Geister
als seine Arche Noah bezeichnet hatte, mitder er die kostbarsten Geistesschätze aus den alten Zeiten retten wollte. Aber Klara hatte trotzdem genauso recht – die Kiste sah wirklich ein wenig wie ein altertümliches Schiff aus, das selbst den ärgsten Stürmen trotzen würde.
    Er hatte die Kiste ins Haus geschleppt – genauer gesagt, in Kronus’ einstige Schreibstube, zwischen die rußigen Überreste seiner kostbaren Bibliothek. Die Sonne schien hier vorne durch die Zimmerdecke, denn die Feuersbrunst hatte auch das Geschoss darüber und den Dachstuhl größtenteils zerstört.
    Doch die »Arche Noah« im Gewürzbeet hatte unversehrt alles überstanden. Mit einem eisernen Türbeschlag, der zwischen den Trümmern herumlag, hatte er den Deckel aufgestemmt, und darunter hatten sie alles gefunden, was sie so dringend brauchten: einen Stapel säuberlich

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