OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Papierfetzchen und einen elenden Bleistiftstummel entdeckt. Nun zog er beides hervor und schrieb auf das Fetzchen die kurze Botschaft, die er sich im Rennen zurechtgelegt hatte.
Hebedank, eilt herbei – dorthin, wo alles begann.
Er unterzeichnete mit seinen Initialen, wie er es bei Kronus gesehen hatte. Dann faltete er das Papier zu einem Brief zusammen, so gut es gehen mochte. Denn aus diesem Grund, da war er sich nun ganz und gar sicher, hatte ihn Kronus damals gleich als Ersteszum Setzer Hebedank geschickt: damit er ihm
Das Buch der Geister
bringen konnte, wenn keine andere Möglichkeit mehr übrig geblieben war.
Geraume Zeit musste Amos noch hinter dem Busch ausharren, dann endlich kamen Bardo und Marek herbeigeschlendert. Beide sahen noch ziemlich verschlafen aus, und als Amos sie durch einen Pfiff auf sich aufmerksam machte, schauten sie wild in alle Richtungen, nur nicht dorthin, wo er im Busch hockte und zwischen den Blättern hervorwinkte.
Doch schließlich hatten ihn die beiden Geleitsoldaten erspäht und machten große Augen. »Herr Amos?«, rief Bardo aus und Amos legte einen Finger vor seinen Mund.
Marek und Bardo wechselten einen Blick und schlenderten gemächlich zu dem Busch, in dem Amos saß.
»Sind die Purpurnen noch hinter Euch her?«, fragte Marek gedämpft und schaute unverwandt nur seinen flachsblonden Kameraden an.
»Ihr müsst einen Brief nach Nürnberg bringen«, schien ihm der zu antworten. »Könnt ihr das für mich machen?«
Ein zufälliger Zuhörer hätte sich bestimmt darüber gewundert, dass diese Antwort so wenig zu Mareks Frage passte wie Bardos Mundbewegungen zu den Wörtern, die eben gesprochen worden waren. Ganz zu schweigen von der Stimme des hoch aufgeschossenen Gardisten, die normalerweise viel tiefer und rauer klang. Aber glücklicherweise war gerade niemand in der Nähe.
»Für wen ist der Brief bestimmt?« Marek kratzte sich den Rotschopf. Er schaute so skeptisch drein, als ob er befürchtete, dass der junge Herr Amos sie geradewegs zum Inquisitionshaus schicken wollte.
Doch in diesem Punkt konnte Amos die beiden einigermaßen beruhigen. Um eine Buchdruckerei machte man in so brenzligen Zeiten zwar auch lieber einen großen Bogen, aber die Koberger’sche Verlagsdruckerei war doch immerhin ein angesehenes Haus – und besser als am Predigerplatz anklopfen zu müssen wares allemal. Marek und Bardo versprachen ihm sogar, das Brieflein gleich morgen zuzustellen – zufällig würden sie noch heute früh aufbrechen, um die Kutsche des Herrn Amtmanns Rabensteiner nach Nürnberg zu geleiten.
Amos dankte ihnen von Herzen. In Andres Kupferschuhs Taschen klimperten lediglich ein paar Kupfermünzen, doch außer dem Brieflein wollte Bardo sowieso nichts annehmen.
»Ihr seid jetzt ärmer dran als wir«, sagte er. »Gott behüte Euch, Herr Amos.«
7
D
ie Geschichte
Vom Ritter, der seine Liebste hinter dem Spiegel fand
aus dem Gedächtnis aufzuschreiben, war wirklich einigermaßen leicht. Das erste Abenteuer von Ritter Laurentius hatte Amos ja noch in Kronus’ Schreibstube zwei Mal gelesen und er erinnerte sich an jedes einzelne Wort. Klara ging es genauso: Sie hatte die Geschichte einmal von Mutter Sophia vorgelesen bekommen, später nochmals für sich gelesen und sie schließlich Leander sogar schon auswendig erzählt.
Satz für Satz sagten sie sich gegenseitig vor, und wenn sich der Satz bei ihnen beiden genau gleich anhörte, schrieb ihn Klara auf.
»
Suchst du das Land deiner Väter, so frag die Frau, die im Brunnen wohnt.
« Die Sonne hatte noch nicht einmal ihren höchsten Himmelspunkt erreicht, als Klara diesen Satz niederschrieb, mit dem die erste Geschichte endete.
Amos streute Löschsand auf die glitzernd feuchte Tinte, wie er es oftmals bei Kronus gesehen hatte. »Zum Glück«, sagte er, »geht ja zumindest für Laurentius alles gut aus.« Ihm wurde bang zumute, wenn er daran dachte, was noch alles vor ihnen lag.
»Und für Lucinda auch«, antwortete Klara und lächelte ihn an.
Sie standen dicht beieinander in Kronus’ Hinterzimmer, dem einzigen Raum, der das Feuer halbwegs überstanden hatte. Unterdem Fensterloch schoss tosend und gurgelnd der Gründleinsbach vorbei. Von dem Fenster selbst waren allerdings genauso wie von der Tür nur ein paar Splitter übrig geblieben, die von den Scharnieren herunterhingen. Aber zumindest gab es hier noch eine Zimmerdecke, und so hatten sie Kronus’ wuchtiges Schreibpult mit vereinten Kräften nach hinten
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