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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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übereinandergeschichteter Papierbögen, drei wohlgefüllte Tintenfässchen und sehr viel mehr Federkiele, als sie in einem ganzen Jahr zuschanden schreiben könnten.
    »Als ich mit Kronus diese Kiste im Garten vergraben habe«, sagte Amos zu Klara, »da hat er eine Bemerkung gemacht, die mir damals etwas übertrieben vorgekommen ist.«
    »Was war das für eine Bemerkung?«, wollte Klara wissen.
    »Er hat gesagt: ›Manche Leute vergraben ihren Gold- oder Geldschatz im Garten, weil sie Angst davor haben, eines Tages arm zu sein. Ich dagegen habe viel mehr Angst davor, dass ich eine gute Geschichte oder einen interessanten Gedanken im Kopf haben könnte – und keinen Fetzen Papier im Haus, um alles aufzuschreiben.‹ Und mit seinem hintersinnigen Lächeln hat er hinzugefügt: ›Aber mit dieser Kiste in meinem Gemüsegarten kann mir ja nichts mehr passieren.‹«
    Klara seufzte leise auf und ihre Augen wurden dunkel vor Gram. Amos spürte, dass sie in diesem Moment dasselbe dachte wie er: Kronus und seinem Lebenswerk war das Schlimmste passiert, was man sich überhaupt vorstellen konnte. Er selbst war allem Anschein nach tot, sein Buch nur noch ein Klumpen Asche.
    »Machen wir weiter«, sagte er.
    Sie kehrten hinter Kronus’ Pult zurück, und vielleicht lag es an dem vergoldeten Mistelzweig, der noch immer im Auge des elfenbeinernen Totenkopfs steckte und dem ja laut Kronus magische Kräfte innewohnten: Auch die zweite Geschichte schrieben sie in kürzester Zeit und ohne größere Schwierigkeiten aus dem Gedächtnis nieder.
    Nur an einer Stelle wurde Klara kurzzeitig von Zweifeln geplagt.
    »
Unmittelbar vor ihnen
«, sagte Amos, »
war nun der Nachen mit dem weißen Pferd, das in ein Netzmuster aus schwarzen Linien wie versponnen schien.
«
    Bis dahin waren sie sich bei jedem Satz und jeder Silbe sofort einig gewesen. Wechselweise hatten sie die Sätze laut herausgesagt, und der oder die andere hatte immer nur zustimmend genickt und den Satz niedergeschrieben. Doch an dieser Stelle machte Klara ein zweiflerisches Gesicht und kaute auf dem Ende des Federkiels herum, anstatt Amos’ Satz einfach aufzuschreiben. »Ich weiß ja mittlerweile auch«, sagte sie, »dass das weiße Pferd später noch ein Linienmuster bekommen hat – in der Version, die Mutter Sophia mir aus Kronus’ Brief vorgelesen hat, war es einfach ein weißes Pferd. Aber bist du wirklich sicher, dass es ›
Netzmuster aus schwarzen Linien
‹ und nicht ›schwarzes Linienmuster‹ heißen muss?«
    Amos schloss die Augen und spähte in sich hinein. »Ganz sicher«, sagte er, und nachdem sie ihm einen letzten grüblerischen Blick geschickt hatte, tunkte Klara die Feder ins Tintenfässchen und schrieb den Satz so nieder, wie Amos ihn eben gesagt hatte.
    Dann schob sie Papier und Feder zu ihm herüber, denn nun war es wieder an ihm, einen Satz aufzuschreiben. »
Und auf einmal begann der Flößer
«, sagte sie, »
seinen Stecken wie wild ins Flussbett zu stoßen, wobei er atemlos ausrief: ›Das bringt Glück – das bringt Glück!‹
«
    Amos nickte und schrieb. Mittag war kaum erst vorüber, da hatten sie auch die Geschichte
Von der Frau, die im Brunnen wohnte
, vollständig niedergeschrieben. Er warf den Federkiel aufsPult und streute Löschsand auf die feuchte Tinte. Der letzte Satz dieser Geschichte ging so: »
Ganz kurz erblickte er darin noch die Frau im Brunnen, wie sie ihn anlächelte und die Farben ihrer Augen schwindelerregend schnell wechselten und auf ihrer Zunge geheimnisvolle Zeichen aufblitzten – die zum Winkel gespreizten Finger und der erhobene Schild und die Raubvogelkralle.
«
    »Die Raubvogelkralle«, murmelte Amos. »Wie sehr Kronus mit allem recht hatte! Die Zeit der großen Magier ist vorbei, hat er immer gesagt. In der heutigen Zeit könnten nur die Dichter von Fantasiegeschichten und ihre Leser noch Magie ausüben, ohne Unheil anzurichten. Jetzt erst verstehe ich so richtig, was der weise alte Mann mit diesen Worten gemeint hat.«
    Sie beide mussten wieder an Rogár denken, an ihre ebenbildlichen Ahnen, aus denen die Geister mit vielerlei Stimmen dröhnten und schrien – nur die Priester selbst hatten keine eigenen Stimmen und keinen eigenen Willen mehr.
    »Ich brauche einen Schluck Wasser«, sagte Klara. »Du auch?«
    Amos nickte, und abermals liefen sie hinaus auf den sonnigen Hof. Aus dem Gründleinsbach fing er mit bloßen Händen zwei Bachforellen, die sie über einem rasch entfachten Lagerfeuer brieten. Sie aßen den

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