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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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herbeigeschwommen, so als ob sie in ihm den kleinen Laurenz wiedererkennen würden, der sie einst mit Brotkrumen gefüttert und mit Steinwürfen erschreckt hatte.
    So wehmütig wurde ihm nun zumute, dass er das eigentümliche kleine Wesen nicht gleich bemerkte. Es war kaum länger als sein Arm und von schilfgrüner Farbe. Gerade vor Laurenz’ Stiefelspitzen hangelte und schlängelte es sich aus dem See hervor und ans trockene Ufer. Sein Haar schien aus Tang und Schlick zusammengezwirnt und seine Augen ähnelten Seerosen.
    »Wie kommst du denn hierher?«, rief Laurenz aus, als er die kleine Kreatur schließlich entdeckt hatte. Er ließ sich von der Bank gleiten und fiel neben dem Wasserwesen auf die Knie. »Ich bin dir Dank schuldig«, fuhr er fort. »Ohne dich hätte ich ja niemals zurückgefunden!« Das grüne Geschöpf nickte ihm nur leichthin zu. »Aber was tust duhier?«, wiederholte Laurenz. »So weit weg vom donnernden Strom?«
    »Spute dich, der Berg ist hart«, gurgelte da der Kleine und sah Laurenz eindringlich an. Ohne auch nur eine einzige seiner Fragen zu beantworten, wandte er sich um, riss im Sprung die rankendünnen Ärmchen hoch und versank aufs Neue im See.
    Tief in Gedanken wanderte Laurentius weiter. »Spute dich, der Berg ist hart«, murmelte er immer wieder, doch jedes Mal kam ihm der Spruch des Kleinen noch unergründlicher vor.
    Die Sonne umspann alles und jedes mit Netzen aus goldenem Licht. Was immer sich darin verfing, erschauerte wohlig und begann leise zu jubilieren. Der Gesang der Rotkehlchen und Nachtigallen war duftender Wohlklang. Die Büsche am Wegrand hingen voll strotzend roter Beeren, und Laurenz fuhr mit den Fingerspitzen darüber und meinte seine geliebte Lucinda seufzen zu hören. Was der Bach zu seiner Rechten murmelte, konnte er nun klar und deutlich verstehen. »Eile und heile.« Im Unterholz sah er Wolfslichter glimmen. Sie beobachteten ihn, seit er in den Wald zurückgewichen war, doch Laurentius Answer verspürte keine Furcht. Er trug sein Erbschwert bei sich und würde sich notfalls mit wohlgezielten Hieben zu wehren wissen.
    In Sichtweite des Kastells legte sich Laurenz auf die Lauer. Geraume Zeit blieb er hinter der Hecke hocken und schaute unverwandt zum Portal hinüber, das von zwei mächtigen Steinhirschen flankiert wurde. Doch da drüben regte sich überhaupt nichts. Alle Türen und Läden waren verrammelt und das ganze Bauwerk anscheinend seit Jahren verwaist.
    Erst als Laurenz aus seinem Versteck wieder hervorkam, bemerkte er die grüne Kreatur, die am Wegrand kauerte und ihm sinnend entgegensah. Sie ähnelte dem Wasserwesen von vorhin, aber sie war noch winziger und dürrer. IhreGliedmaßen erinnerten an kleine Schlangen. »Spute dich, der Vater darbt«, gurgelte die Kreatur und wollte schon wieder davoneilen.
    Doch diesmal war Laurenz schneller. Er warf sich zu Boden und bekam das Geschöpf am Schopf zu fassen. »Wer bist du, was willst du?«, rief er aus.
    »Ein Crutsmar bin ich, gar viele sind wir«, gurgelte die Kreatur. »Keine Alben, wie du vielleicht vermutest – Alben schlagen Stollen in den Berg, wir aber fließen und rinnen und tropfen und schlängeln uns durch die feinsten Ritzen und Poren im Fels hindurch. Du wirst schon sehen.«
    »Was werde ich sehen?« Vor Erstaunen vergaß Laurenz, den Crutsmar festzuhalten, und im nächsten Moment war der Kleine durch Laub und Unterholz davongehuscht.
    An der Rückfront des Kastells führten Stufen zu einer schmalen Tür hinab. Die Beschläge waren verrostet, die kleine Treppe mit Disteln und Brennnesseln zugewuchert. Ganz offenkundig hatte seit vielen Jahren niemand diesen Zugang genutzt – abgesehen von dem halben Dutzend Crutsmaren, die auf der untersten Stufe saßen und Laurenz sinnend entgegensahen.
    »So gehen wir hindurch«, gurgelte einer von ihnen. Im nächsten Augenblick glitten sie allesamt durch den kleinfingerbreiten Spalt unter der Tür.
    Bis Laurenz den Riegel zurückgewuchtet, die mit Efeu und Spinnweb zugesponnene Tür aufgezerrt hatte, war drinnen von den kleinen Kerlen nichts mehr zu sehen. Uralte Moderluft quoll ihm entgegen. Viel enger und abschüssiger als in seiner Erinnerung schien ihm der Gang nun, da er in Wirklichkeit hindurchkriechen sollte. Es war mehr eine Röhre als ein Gang, Boden und Wände glitschig feucht und mit Schimmel überzogen. »Spute dich, der Berg ist hart«, hörte er es von drinnen gurgeln und da fasste sich Laurenz ein Herz und kroch in den Geheimgang

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