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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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hinein.
    Wohl eine Stunde lang war er teils mit eingezogenem Kopf dahingetaumelt, teils auf Händen und Knien vorangekrochen, als der Weg mit einem Mal endete. Um ihn herum war es stockfinster. Laurenz’ Finger tasteten über aufgehäufte, ineinander verkeilte Gesteinstrümmer. Offenbar war der Gang an dieser Stelle eingestürzt und hatte sich vom Boden bis zur Decke mit Brocken und Geröll gefüllt.
    Beinahe hätte Laurenz vor Zorn aufgeschrien, doch er bezähmte sich. »Nun, ihr Crutsmare«, murmelte er, »dann kommt und helft mir.«
    Noch ehe er fertig gemurmelt hatte, begann es im Geröll vor ihm grünlich zu glühen. Was da aus haarfeinen Ritzen und Spalten herbeigeschlängelt und -geronnen kam, schienen Laurenz anfangs nur moosfarbene Tropfen und schimmelgrüne Rinnsale zu sein. Doch kaum hatten sie sich gänzlich aus dem Trümmerberg hervorgewunden, da nahmen die Crutsmare ihre alte Gestalt wieder an. Auf Geröllbrocken gekauert, schauten sie sinnend zu ihm herüber und mit jedem Augenblick kamen weitere grüne Kreaturen aus dem Steinhaufen hervor. Das matte Glühen, das im Dunkeln von ihnen ausging, hüllte den Stollen, den Geröllhaufen und auch Laurenz selbst in grünlichen Schein.
    »Mach es wie wir«, gurgelte einer der Crutsmare. Für Laurenz sahen sie alle vollkommen gleich aus.
    »Tropfe und rinne hindurch«, fügte ein anderer hinzu.
    »Fließe und ströme hinüber«, forderte ihn der nächste Crutsmar auf.
    »Hier ist es noch leicht«, ermunterte ihn der vierte Winzling. Mit efeugrünem Finger deutete er auf den Trümmerhügel. »Poren so groß und Spalten so weit, dass selbst ein Ritter hindurchrinnen kann.«
    Sämtliche Crutsmare brachen daraufhin in gurgelndes Gelächter aus, und das grüne Glühlicht, das von ihnen ausging, begann, wild zu flackern.
    »Du bist eine Welle, die sich bricht«, gurgelte der fünfte Crutsmar, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten. »Du zerspritzt zu Tropfen und Gischt und wirst danach wieder zur Welle.«
    »Du musst es anders sagen«, wandte der letzte Winzling ein, der bis dahin keine Silbe gegurgelt hatte. »Schließlich ist er ein Ritter – wie soll er da wissen, wie es einer Pfütze ergeht?« Die Crutsmare begannen, aufs Neue zu prusten und zu kichern. »Dein Wille ist die Kraft«, bekam Laurenz schließlich zu hören, »in deren Bannkreis alle Teile deiner Rüstung verbleiben. Auch wenn dir Harnisch und Helm, Sporen und Schienen zwischenzeitlich um die Ohren fliegen – am Ende schießt und fließt alles wieder richtig zusammen.«
    Da musste auch Ritter Laurentius lachen. Mit einem Mal begann er selbst zu glauben, dass er es den Crutsmaren gleich tun und wie sie durch Poren und Ritze im Geröll rinnen könnte.
    War er nicht durch seinen eigenen Messingschild wie durch ein Wasserloch hindurchgestiegen? Und war er nicht mitsamt seinem wackeren Rappen auf das Floß im unterirdischen Fluss hinabgesprungen? Wer solche Kunststücke vermochte, der konnte bestimmt auch durch Felswände gehen.
    Die Crutsmare erhoben sich nun allesamt von den Steinbrocken, die ihnen als Sitzgelegenheit gedient hatten. Sie wandten sich zu dem Trümmerberg um, sahen Aufmerksamkeit heischend zu Laurentius zurück und fingen dabei schon an, durch kaum sichtbare Spalte und Risse ins Geröll zu rinnen.
    Mein Wille ist die Kraft, sagte sich Laurentius, die alles zusammenhält, auch wenn mir meine Einzelteile zwischenzeitlich um die Ohren fliegen. Ich bin die Welle, die sich bricht, die zu Tropfen und Gischt zerspritzt und danach wieder zur Welle wird. Unaufhörlich beschwor er diese beidenBilder in seinem Innern und währenddessen kroch er in das aufgehäufte Geröll. Mit dem Kopf kam er auch glatt hinein und schob gleich seine Schultern hinterher.
    Es fühlte sich ungefähr so an, als ob er sich in einen Haufen Schlamm oder in einen Brotteig hineinbohren würde. Das zähe Zeug umschloss ihn und versuchte, ihn festzuhalten, aber er kroch und schlängelte sich unbeirrbar weiter hindurch. Mein Wille ist die Kraft, die alles zusammenhält, sagte sich Laurenz – und wahrhaftig kam es ihm vor, als ob er zu einer Wolke, einem Gestöber, einer Kaskade dahinjagender Einzelteile geworden wäre. Einiges von ihm schoss und floss irgendwo weiter oben durch den Trümmerhügel, anderes links oder rechts von ihm, doch er spürte in jedem Augenblick, dass alles noch im Bannkreis seines Willens war.
    Bald schon fand er Freude an dieser unerhört neuen Art, sich vorwärtszubewegen. Er rann und glitt durch die

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