Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
einmal, dass sie ihm die erste Geschichte aus dem
Buch der Geister
vorlesen würde, sobald sich eine günstige Gelegenheit dafür ergäbe.
    Der grünäugige Junge sah sie beschwörend an. »Seit damals schlaf ich nur noch in Erdlöchern«, schrieb er auf sein Schieferstück und die Kreide kreischte, als er »damals« doppelt unterstrich. »Aus Angst. Deshalb immer dreckig.« E r wischte alles weg, kaum dass sie sein Gekrakel entziffert hatten, und beschrieb die Tafel gleich wieder aufs Neue. »Buch wird mich heilen – ich spür’s.«
    Er rappelte sich auf und auch Amos erhob sich und reichte dem anderen Jungen seine Hand. Was ihn selbst betraf – er spürte, dass er Leander so bald nicht wiedersehen würde, aber das behielt er lieber für sich. »Wir beide haben es dir versprochen«, sagte er, »und wir werden es nicht vergessen.«
    Kaum war ihnen Leander aus den Augen, da zog Amos
Das Buch
auch schon wieder hervor. »Ich werde rechtzeitig zurück sein, das verspreche ich dir«, sagte er, bevor Klara auch nur den Mund aufmachen konnte. »Aber du musst mir auch etwas versprechen.«
    »Was denn?«, fragte sie.
    Er legte seine Arme um sie und zog sie an sich. »Ich weiß ja, dass du die Geschichte am liebsten mit mir zusammen lesen würdestoder direkt danach, wenn ich in die Welt von Ritter Laurenz abgetaucht bin«, sagte er mit den Lippen ganz nah in ihrem Ohr. »Aber das darfst du nicht machen, Klara, das ist viel zu gefährlich. Du musst sie ein anderes Mal lesen, und dann werde ich dich im magischen Leseschlummer bewachen, so wie du in dieser Nacht mich bewachst. Wenn ich fertig gelesen habe, dann nimm bitte
Das Buch
und stecke es wieder in meine Westentasche.«
    Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände und drehte ihn so, dass er sie ansehen musste. »Jetzt sind es also schon zwei Jungen, denen du nicht über den Weg traust, mein Auserwählter. Wie soll das nur weitergehen? Aber keine Sorge – ich werde dich bewachen.« Ihre Augen funkelten und ihre Mundwinkel zuckten in liebevollem Spott. »Und nebenher auch ihn.« Ohne Amos loszulassen, deutete sie mit der Schläfe zu Johannes hinüber, der in seinem Winkel lag und im magischen Lesebann ab und an ein leises Schnaufen oder Seufzen hören ließ.
    Bei allen guten Geistern, dachte Amos, was soll ich darauf nur antworten? Darüber brauchte er allerdings nicht lange nachzugrübeln – er beugte sich vor und verschloss Klaras Mund mit einem langen, zärtlichen Kuss.

Kapitel III

1
    Vom Felsen, der ein Fenster war

    Tropfen rannen Ritter Laurentius aus Hemd und Haaren, während er über die Wiese seiner Kindheit auf Burg Answer zuging. Seine Blicke hafteten auf der Silhouette des altehrwürdigen Gemäuers, in dem er einst aufgewachsen war, so wie vor ihm sein Vater, sein Großvater und alle väterlichen Vorfahren bis in unvordenkliche Zeiten zurück. Noch wagte Laurenz kaum zu hoffen, dass die Frau aus dem Brunnen Wort gehalten und ihm wirklich den Weg in seine Vaterswelt gewiesen hatte. Vielleicht würde sich ja die ganze hoch aufgetürmte Festung, auf die er im Morgenlicht zuschritt, im nächsten Augenblick auflösen wie ein Gespinst aus Wolken und Nebel.
    Doch mit jedem Schritt, der ihn dem Burghügel näher brachte, wurden Laurenz’ Zweifel leiser – und desto lauter jubelte sein Herz. Er war endlich nach Hause zurückgekehrt und bereit, die Pflicht zu erfüllen, die sein Vater ihm einst aufgetragen hatte. Er hatte gelernt, mit Schwert und Lanze zu fechten, und Graf Leonhard hatte ihn zum Ritter geschlagen. Noch darbte sein Vater im Verlies seiner eigenen Burg, doch Laurenz war gekommen, um ihn aus schmachvoller Haft zu befreien. Noch flatterte die Fahne ihrer Feinde dort auf dem Turm von Burg Answer – doch er selbst würde sie noch heute herunterreißen und stattdessen ihre eigene heilige Fahne wieder hissen.
    Das Wappen der Edlen von Answer stellte einen schroffen schwarzen Berg dar, mit einem ebenso dunkel verwitterten Turm darauf, der halb im Fels versunken oder auch daraus hervorgemeißelt schien – je nachdem, wie der Betrachter es auffasste. Auf der Fahne dagegen, die ihre Besatzer und Beschmutzer über den Turmzinnen aufgezogen hatten, warzumindest aus dieser Entfernung bloß ein Paar Wolfsaugen zu erkennen, die in schwarzer Nacht gelb und gierig glommen.
    Noch hatte Laurenz den steilen Kletterpfad nicht erreicht, der geradewegs zur Zugbrücke hinaufführte, als ihm der Mut bereits wieder sank. Sein Erbschwert trug er umgegürtet, seinen braven

Weitere Kostenlose Bücher