OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
ist mit dir, Amos?
Er lauschte nach draußen. In der Ferne schwankten die Fackeln wild im Dunkeln umher. Er hörte dumpfe Ausrufe, dann Klirren wie von Schwertern. Aber da hatte er sich doch bestimmt verhört? Im nächsten Moment war jedenfalls da draußen alles wieder still.
Meinolf und zwei Purpurkrieger haben uns verfolgt und die Maurer gerade eben eingeholt , erklärte er Klara. Aber ich bin in Sicherheit, mach dir um mich keine Sorgen. Er zögerte, er hoffte so sehr, dass Klara ihm ins Wort fallen würde, aber sie blieb still. Und wie sieht es bei euch aus? , fragte er. Ich meine – bei Leander und dir?
Was soll das heißen? , fragte Klara zurück. Du klingst auf einmal so seltsam – du bist schon wieder eifersüchtig, stimmt’s?
Er presste die Kiefer aufeinander, dass es ihm in den Ohren knackte. Er fühlte ja, dass Klara sich nicht verstellte, er spürte doch den Strom ihrer Liebe, der sie beide unverändert warm undglitzernd miteinander verband. Aber er konnte einfach nicht anders. Ich war bei euch, offenbarte er ihr, vorhin auf der Lichtung, und ich habe gesehen, wie Leander und du …
Was hast du gesehen? , fiel ihm Klara ins Wort. Wie ich Leander die erste Geschichte aus dem
Buch der Geister
erzählt habe – leise ins Ohr, damit niemand sonst etwas davon mitbekommt? Nur das kannst du gesehen haben, Amos, denn sonst war da überhaupt nichts. Zum ersten Mal, seit sie einander kennengelernt hatten, schien auch sie richtig zornig zu werden. Wie kommst du nur dazu, mich andauernd zu verdächtigen?, stieß sie hervor. Glaubst du wirklich, dass ich mich jedem dahergelaufenen Jungen an den Hals werfe, kaum dass du mir den Rücken zugekehrt hast?
Und wie soll das gehen, schrie er mit heiserer Gedankenstimme zurück, dass du Leander aus dem
Buch der Geister
vorliest, obwohl ich es hier bei mir habe?
Dummkopf , sagte Klara, und er hörte am Tonfall, wie ihre Augen spöttisch zu funkeln begannen. Du lieber, eifersüchtiger Dummkopf – ich habe die erste und die zweite Geschichte ja erst vor Kurzem noch einmal gelesen und kann sie beide auswendig.
Amos fühlte sich jetzt ziemlich durcheinander. Er überlegte, wie die ersten Sätze der Geschichte
Vom Ritter, der seine Liebste hinter dem Spiegel fand
lauteten, und stellte fest, dass auch er sie mehr oder weniger Wort für Wort hersagen könnte.
Leander tut mir leid, das ist alles , sagte Klara in friedfertigem Tonfall. Wenn wir in ihm die Gabe der Gefühlsmagie erwecken – vielleicht hilft es ihm ja, über das schreckliche Erlebnis hinwegzukommen, das ihm die Sprache verschlagen hat .
Es war die reine Wahrheit, Amos spürte es ganz genau. Klara hatte niemals daran gedacht, ihn zu hintergehen, natürlich nicht. Weder mit Leander noch gar mit dem halb verrückten Johannes – die beiden hatten ihr Mitgefühl erregt, und sie hatte überlegt, wie sie den armen Kerlen helfen, sie womöglich sogar heilen könnte. In einer Sturzflut reuiger Gefühle wirbelte Amos’ Eifersucht aufs Neue davon. Oh mein Gott, Klara , sagte er mit halb erstickterGedankenstimme. Was für ein Idiot ich doch bin! Wie konnte ich dir nur so sehr Unrecht tun? Du verwendest die Gabe der Gefühlsmagie, die Das Buch in dir erweckt hat, um anderen zu helfen. Und ich? Um ihnen zu schaden – sie ins Verderben zu stürzen, ganz egal, wie – Hauptsache, sie bleiben für alle Zeiten weg von dir .
Darauf antwortete Klara erst einmal gar nichts. Amos spürte, wie in ihr Erstaunen und Mitleid, Groll und Liebe miteinander kämpften. Du lieber Himmel, Amos – was redest du denn da? , brachte sie schließlich heraus. Wen hast du denn ins Verderben gestürzt – und wodurch?
Die Antwort lag ihm schon auf der Zunge, doch er schluckte sie wieder herunter. Er brachte es einfach nicht fertig, sich vor Klara offen zu bezichtigen – dass er Johannes verwünscht und vorhin auch noch Leander verflucht hatte. Dass er die Gabe der Gefühlsmagie nicht in menschenfreundlichem Geist einsetzte, wie Kronus das vorgesehen hatte – sondern allein für eigensüchtigen Schadenzauber.
Lass uns später darüber reden , sagte er schließlich . Denn was jetzt viel wichtiger ist: Du musst fliehen, auf der Stelle! Die anderen Purpurkrieger sind euch mit den Bluthunden gefolgt – sie müssen schon ganz dicht hinter euch sein. Du musst dich in Sicherheit bringen, Klara – sofort!
Nur die Ruhe – Egbert und seine Leute haben alles bedacht. Klara klang nun ein wenig zurückhaltend, so als ob ihr bewusst geworden
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