Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
Und trotzdem, dachte Amos – er musste es zumindest versuchen. Wenn er ihnen vorlügen würde, dass er wegen irgendeiner Dieberei gesucht wurde, dann würden sie ihm sicher erst recht nicht helfen. Schließlich waren es ehrbare Handwerker, und was ihn selbst anging – er würde sich lieber von den Purpurkriegern einfangen und neuerlich in den Kerker werfen lassen, als sich jemals mit dreckigen Dieben gemein zu machen. Und wäre es auch nur durch eine Lüge! Niemals! Aufs Neue begann in ihm der heiße Zorn zu rasen – Wut auf Leander, auf Johannes, und ein giftiger,beißender Schmerz wegen Klara. Doch daran durfte er jetzt wirklich nicht denken – er meinte, beinahe schon den Hufschlag ihrer Verfolger auf der abenddunklen Straße hinter ihnen zu hören.
    »Von der Inquisition«, sagte er so ruhig wie möglich. »Sie haben Kirchenkrieger hinter mir hergeschickt – und die sind uns dicht auf den Fersen.«
    Alle sechs Maurer, die mit ihm auf dem Wagen saßen, hörten ihrem Zwiegespräch nun aufmerksam zu. Ihre Gesichter wirkten ernst und besorgt, aber durchaus nicht verzagt oder gar ergrimmt gegen ihren seltsamen Reisegefährten.
    »Was werfen sie dir vor?«, fragte Dreyfuß. Wieder zögerte Amos, doch ehe er sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, winkte der Meister ab. »Ich will es gar nicht wissen. Egbert ist ein aufrechter Mann, ich kenne ihn seit einem halben Leben. Er hat sich für dich ausgesprochen – und das genügt mir vollauf.« Er zwirbelte sich gedankenverloren die Bartspitzen. »Aber eines musst du mir noch verraten«, fuhr er fort. »Woher willst du eigentlich so genau wissen, dass deine Häscher auf unserer Spur sind – mit allenfalls einer halben Stunde Rückstand, wie du eben sagtest?«
    Amos zuckte mit den Schultern. »Nun, ich weiß es eben. Und ich bitte Euch, auch zu Eurem eigenen Besten: Belassen wir es dabei. Wir haben auch überhaupt keine Zeit mehr für lange Erklärungen. Bitte sagt mir, Meister Dreyfuß: Kennt Ihr Euch auf dieser Strecke einigermaßen aus?«
    Der Baumeister nickte. »Ich bin hier schon Dutzende Male entlanggefahren – auf dieser Strecke kenne ich jeden Strauch und jeden Stein.«
    »Dann wisst ihr bestimmt auch eine Stelle, wie wir sie jetzt unbedingt brauchen«, sagte Amos. Auch diesen Kunstgriff hatte sein Vater ihm vor langen Jahren beigebracht – so als ob Ferdinand von Hohenstein vorausgeahnt hätte, dass sein Sohn eines Tages auf der Flucht sein würde. Von erbarmungslosen Menschenjägern gehetzt, die er nur noch auf diese einzige Weise abschütteln konnte.
    »Was für eine Stelle?«, wollte der Baumeister wissen.
    »Einen Ort, an dem ich aus dem Wagen springen kann«, sagte Amos, »ohne dass Ihr anhalten müsst – und ohne dass ich beim Herausspringen und Weglaufen auch nur die allerkleinste Spur hinterlasse.«
    Die Maurer wechselten nachdenkliche Blicke. »Am besten wäre wohl ein Bach oder ein See«, ließ sich einer der Gesellen vernehmen. »Aber bis wir wieder an so etwas vorbeikommen, vergeht noch mindestens eine Stunde.«
    »Viel zu spät«, sagte Amos. »Bitte, denkt nach – da muss es noch etwas anderes geben. Eine Felswand vielleicht – nicht zu steil und glatt, damit man sich nach dem Sprung festhalten und weiter hinaufklettern kann.«
    Die Gesellen schüttelten die Köpfe. »Das Gebirge haben wir hinter uns.«
    Amos wurde immer mulmiger zumute. »Versteht doch«, sagte er in drängendem Tonfall, »es geht auch um eure Sicherheit. Bisher glauben die Kirchenkrieger ja nur, dass ich auf eurem Wagen mitgefahren sein könnte. Wenn sie euch eingeholt haben und mich nicht bei euch finden, werden sie euch unbehelligt ziehen lassen – aber nur dann, wenn überhaupt nichts darauf hindeutet, dass ihr mich unterwegs irgendwo abgesetzt habt.«
    Meister Dreyfuß beugte sich zur Seite und zog ein zusammengerolltes Seil zwischen den aufgehäuften Maurerwerkzeugen hervor. »Kannst du klettern?«, fragte er Amos.
    Der nickte mit klopfendem Herzen und musste sich zwingen, seinen Blick wieder von dem Seil zu Meister Dreyfuß zu wenden. Es war ein überaus prachtvolles Seil, stark und doch biegsam und bestimmt nicht weniger als vierzig Fuß lang.
    »Dann weiß ich wohl, wie du verschwinden kannst«, sagte Meister Dreyfuß. »Nimm dieses Seil und halte dich bereit – hinter der übernächsten Wegbiegung steht ein uralter Baum, den die Leute hier die Tausendjährige Eiche nennen. Wenn ich dir ein Zeichen gebe, wirfst du dein Seil hinauf und schwingst dich in denBaum

Weitere Kostenlose Bücher