OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
doch spürte er ganz deutlich, dass er richtig gehandelt hatte. Eher würde er bei lebendigem Leib verbrennen, als sich in dieses Erdloch hineinzuschlängeln wie eine Ratte oder irgendein Kriechtier.
Klara? Beschwörend rief er ihren Namen. Hörst du mich? Bitte antworte schnell – mir bleibt kaum noch Zeit. In seinen Augen brannten Tränen, doch vor seinem inneren Auge sah er ihrer beider magische Herzen klar und deutlich vor sich – und den dicken, funkelnden Lichtstrahl, der sie miteinander verband.
Ich höre dich, Amos. Ich sitze im Sattel und reite bei schönstem Mondschein durch die Nacht.
Wir müssen Abschied nehmen, sagte Amos mit halb erstickter Gedankenstimme. Kannst du sehen, wo ich gerade bin?
Was heißt das – Abschied? Sie klang nun äußerst beunruhigt. Warte, ich halte das Pferd an. Jetzt sehe ich mit deinen Augen, Amos – aber um Himmels willen, wo bist du da?
Er erklärte es ihr, so rasch er konnte. Ich werde in diesem Loch voll heidnischer Fratzen umkommen, fuhr er fort, aber es ist meine eigene Schuld. Lass mich weitersprechen, bitte, Klara, fügte er rasch hinzu, denn er spürte ja, dass sie ihm ins Wort fallen wollte. Ich habe meine magischen Kräfte missbraucht, um Johannes und heute auch noch Leander ins Verderben zu stürzen. Bitte verzeih mir, Klara. Die Stimme wollte ihm nun vollends versagen. Ich werde in diesem Geisterloch sterben, schloss er krächzend, aber ich habe es auch nicht besser verdient .
Aber Amos! , schrie Klara mit angstschriller Gedankenstimme zurück. Wovon redest du, um Himmels willen – wieso glaubst dudenn, dass du Schuld daran hättest, was dem armen Johannes passiert ist? Und Leander geht es so gut wie seit Langem nicht mehr – ich habe gerade eine Gefühlsbotschaft von ihm bekommen!
Das versetzte Amos einen Stich, aber er rang seine Gefühle nieder. Ich habe Johannes verflucht , erklärte er. Nur deshalb konnten ihn die Purpurkrieger schnappen. Und heute habe ich auch noch Leander verwünscht, als ich euch beide … Du weißt schon . Er unterbrach sich und setzte von Neuem an. Bestimmt widerfährt auch ihm in Kürze ein Unheil .
Mittlerweile brannte der Baum von der Krone bis fast schon zur Wurzel hinab. Glut und Asche und Qualm wirbelten umher und nahmen Amos den Atem. Aber es war sowieso viel zu heiß, um Luft zu holen.
Du glaubst, dass das deine Schuld war, was mit Johannes passiert ist? Klara hörte sich so ungläubig erstaunt an, als ob er gerade behauptet hätte, dass er persönlich den Mond für sie am Himmel angezündet hätte. Aber du irrst dich, ganz bestimmt , fuhr sie fort. Mutter Sophia hat mir ja oftmals von ihrem Plan erzählt: Allein die heilenden, hilfreichen magischen Kräfte wollten sie mit dem
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an die Menschen der Gegenwart und Zukunft weitergeben – alle schädliche Magie dagegen, jede Art von Schadens- oder gar Vernichtungszauber sollte für alle Zeiten vergessen werden und untergehen .
Das war der Plan, ich weiß . Amos keuchte und hustete. Aber irgendetwas muss schiefgegangen sein.
Ist es nicht. Hör mir bitte gut zu, Amos. Klara redete jetzt in beschwörendem Tonfall. Ich habe über dich – über uns beide – lange nachgedacht, und ich glaube, ich weiß jetzt, was da schiefgegangen ist. Hörst du, Amos – das alles hat überhaupt nichts mit Kronus oder dem
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zu tun. Dafür aber umso mehr mit dir selbst und den schrecklichen Dingen, die du erleben musstest. Die Ermordung deiner Eltern und deiner Schwester – und der Mörder deiner Eltern ist derselbe Mann, der dir vor Kurzem das Leben gerettet hat. Da ist es doch wirklich kein Wunder, wenn du manchmalnicht so genau weißt, wem du vertrauen kannst und wen du besser von uns beiden fernhalten solltest. Aber mit böser Magie, mit Schadenzauber und solchen Sachen hat das ganz bestimmt nicht das Geringste zu tun. Hast du mich verstanden?
Amos nickte und hustete. Jeder Atemzug schmerzte ihn, als ob er Feuer geschluckt hätte.
Und glaubst du jetzt auch , fuhr Klara in demselben eindringlichen Tonfall fort, dass du Johannes nicht den Purpurkriegern ausgeliefert hast? Und dass du Leander verfluchen kannst, so oft du willst – und es ihm trotzdem besser geht als seit vielen Jahren?
Er nickte abermals und holte rasselnd Atem. Mittlerweile war er drauf und dran, das Bewusstsein zu verlieren. Das Gewand des Maurerlehrlings dampfte an Brust und Ärmeln, und wohl nur, weil Amos der breitkrempige Hut wie durch ein Wunder noch immer auf dem Kopf saß,
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