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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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    Im nächsten Moment flog eine der lodernden Fackeln in die Baumkrone hinauf. Durch die Risse im Stamm konnte Amos ihren Flug ganz genau mitverfolgen. Hoch über ihm im Wipfel begann es zu fauchen und zu knistern. Das morsche Holz fing augenblicklich Feuer – durch das Einschlupfloch über seinem Kopf sah Amos, wie kurz darauf die ganze gewaltige Baumkrone lichterloh brannte.
    Er biss sich auf die Fingerknöchel, um nicht loszuschreien. Obwohl es wahrscheinlich auch keinen Unterschied gemacht hätte – das Prasseln der Flammen und die berstenden Geräusche von den herniederstürzenden Ästen waren so ohrenbetäubend laut, dass die drei Männer da draußen ihn bestimmt nicht hören könnten. Sowieso hatten sie den Baum ja nicht deshalb angezündet, weil sie ihm doch noch auf die Spur gekommen wären, sondern einfach aus Übermut. Aus bloßer Begierde, alles und jedes zu vernichten, was in ihren Augen irgendetwas »Teuflisches« oder »Heidnisches« an sich hatte.
    So wie auch Amos selbst für sie zweifellos ein Hexer und Satansjünger war – dabei empfand er gerade in diesem Augenblick ein unsagbares Grauen vor allem, was auch nur von Ferne mit alter Heidenmagie zu tun hatte.
    Die Flammen tanzten hoch über ihm in den Überresten der Baumkrone und erhellten auch sein Versteck mit ihrem flackernden Licht. In diesem Widerschein sah Amos, dass das Innere des Baumes mit den schauerlichsten Götzenbildern angefüllt war. Überall auf dem Boden und an den Wänden lagen und hingen glotzende Holzmasken und sonderbar geformte Wurzelbrocken, auf denen Totenköpfe steckten. Puppenartige Gestalten, aus Staub und Spinnweb zusammengezwirnt oder vielleicht im Lauf der Jahre und Jahrhunderte zu Staub und Dreck zerfallen. Knochen und Knöchelchen, zu drei, vier oder sieben Stück zusammengebunden und diese kümmerlichen Bündel wiederum zu irgendwelchen Figuren angeordnet – zu Kreisen, Vierecken, Ovalen. Und als ob das alles nicht sowieso schon grässlich genug gewesen wäre,entdeckte er schließlich zwischen all dem Mummenschanz auch noch jenes Zeichen, das ihm beinahe heiliger als alles andere war.
    Ein Dreieck, gefügt aus grauen Knochen, und mitten darin einen blassblauen, plumpen Wackerstein. Das Zeichen aus dem geheimen Wappen der Edlen von Hohenstein und das Zeichen seiner Liebe zu Klara – hier lag es vor ihm im Dreck, verzerrt ins Urtümliche, Fratzenhafte.
    Entgeistert starrte Amos auf das Knochendreieck mit dem blau gefärbten Wackerstein darin. Brennende Aststücke fielen durch das Einschlupfloch in sein Versteck hinein, doch er nahm es kaum wahr. Funken und Asche wirbelten um ihn herum, und er wedelte alles mit seinen Händen beiseite, nur um das Zeichen im Dreck besser zu sehen. Das Dreieck mit dem blauen Stein darin. Die obere Spitze wies auf ein Schlammloch im Boden. Ihn ekelte vor dem Loch und vor allem, was sich darin verbergen mochte, und doch kroch er näher heran.
    Prasselnd und fauchend fraß sich das Feuer den morschen Stamm hinab. Schon stand die Heideneiche von der Krone bis zu ihrer Mitte in Flammen. Nur noch wenige Minuten, dann würde der gesamte hohle Baumstamm brennen – und er selbst würde in seinem Innern verschmoren wie ein Braten im Topf. Dieses widerliche Loch war seine allerletzte Chance. Auch wenn die Reiter da draußen höchstwahrscheinlich längst davongetrabt waren – aus dieser Falle käme er nicht mehr lebendig heraus. Außer wenn er sich überwand, durch das Schlammloch in die Erde hineinzukriechen – durch das »Heidentor« in eine lichtlose Unter- oder Urwelt, vor der es ihn graute und ekelte wie vor nichts sonst.
    Er stützte sich mit den Fäusten links und rechts von dem blauen Wackerstein auf den Boden und beugte sich tiefer zum »Heidentor« hinab. Zwei schwarze Knopfaugen starrten ihm entgegen, darunter zitterte eine flache Nase, umgeben von heller, nackter Haut. Amos fuhr mit einem Ekelschrei zurück und im selben Moment begann es aus der Tiefe des Schlammlochs gellend zu pfeifen. Unzählige kleine Pfoten trappelten und trommelten daunten herum, scharrten und kratzten sich dem Ausgang entgegen. Und ohne im Mindesten zu überlegen, was er da eigentlich machte, packte Amos einen wuchtigen Wurzelbrocken und pfropfte ihn mit aller Kraft in das Erdloch hinein.
    Das Fiepen und Pfeifen, Trappeln und Scharren erstarb. Mit einem Mal fühlte sich Amos wie von einem Bann befreit. Er hatte sich eigenhändig den allerletzten Ausweg aus dieser Feuerfalle verschlossen – und

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