Orangenmond
zu halten. Vielleicht war es der Ehemann von Nina K. Vielleicht hatte man seinen genetischen Abdruck nicht aus dem Müll isolieren können, weil das Ticket gar nicht im Müll gelandet war. Er hatte es irgendwo anders hingeworfen! Ganz bewusst, wenn sie Glück hatten.
Sie wählte Silkes Nummer im Büro, 17.10 Uhr, ein Wunder, wenn sie noch da wäre, aber versuchen musste sie es. Nimm ab, nimm ab, nimm … »LKA 34, Zündel?«
»Silke! Eva hier, ich rufe aus Italien an.«
»Ich weiß. Ist es schön?«
Eva hatte keine Zeit für die Analyse von Fragezeichen und Untertönen. »Du bist noch nicht weg?!«
»Allerdings nicht! Ulla macht uns ja hier die Hölle heiß, sie will unbedingt Erfolge vorweisen, wo nichts vorzuweisen ist …«
»Gar nichts?«
»Nein, wir konnten den Hauptverdächtigen immer noch nicht mit seiner DNA festsetzen, ansonsten keine andere Spur bis jetzt. Sie lässt uns seit Tagen gegenchecken und doppelprüfen, jetzt sollen wir auch die Gegenprobe machen, alles noch mal nachasservieren …!«
»Ist ja ziemlicher Quatsch. Was soll dabei groß rauskommen?«
Silke gab einen knurrenden Laut der Zustimmung von sich. »Ha! Wem sagst du das? Ich wär jetzt auch lieber woanders.«
Eigentlich mochte Eva ihre Kollegin, allein ihr Muttergetue konnte einem auf die Nerven gehen, als ob weibliche Menschen ohne Kinder keine Probleme hätten.
»Dann fahr nach Hause! Mir ist da was eingefallen«, sagte Eva schnell, doch nicht schnell genug.
»Du bist echt super, Eva, lässt uns allein hier ackern, wir sind nur noch zu zweit, die Roggenbuck ist auch zu Hause, Sommergrippe oder so was.«
»Du steigst doch immer Wandsbek-Gartenstadt um und fährst mit der U2 Richtung Berliner Tor?«
»Äh, bitte?!«
»Er hat es vielleicht gar nicht in den Müll geschmissen, Silke, mir kam da gerade eine Idee!«
»Wie, er hat es vielleicht gar nicht in den Müll geschmissen? Jetzt spinnst du völlig, oder? Wer? Wo bist du überhaupt?«
Silke war theatralisch, aber nicht nachtragend. Eva holte tief Luft und versuchte langsamer zu sprechen: »Das Ticket von dem Typ aus der Videoaufzeichnung, der mit viel Glück der Ehemann von Nina K. sein könnte, das haben wir doch nicht gefunden, richtig?«
»Ehemann Nina K.«, wiederholte Silke, als ob sie sich etwas notierte. »Ticket. Fragezeichen.«
»Hast du das?«
»Ich habe zu Ulla gesagt, warum der ganze Aufwand, vielleicht hat er es noch in seiner Hosentasche, dann sind wir machtlos.«
»Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube, er hat es nach oben geworfen, irgendwo drauf. Er ist in Barmbek eingestiegen, du kommst zwar jetzt aus der anderen Richtung, aber überprüf doch bitte mal, ob es da an der Haltestelle Wandsbek-Gartenstadt etwas gibt, einen Automaten, ein Sims, irgendwas, wo man ein zusammengefaltetes, von Angstschweiß aufgeweichtes Ticket hochschnipsen kann. Dasselbe machst du natürlich auch an der Habichtstraße. Und hol dir den Assistenten aus der SpuSi, Ulli, der ist verrückt genug, auf Leitern zu klettern.«
»Ulli ist schmerzfrei, er ist neulich sogar unter ein Haus gerobbt in so einen fiesen Zwischenboden, da liefen lauter Tiere rum, von denen du jetzt nichts wissen willst.«
»Igitt.«
»Aber eins noch, Eva: Der Mord an Nina K. ist jetzt elf Tage her!«
»War es sehr windig bei euch?«
»In Hamburg ist es immer windig, auf S-Bahnhöfen auch. Du bist hier geboren, müsstest das eigentlich wissen.«
»Wenn es überdacht ist, woran ich denke, haben wir eine Chance!«
»Ich weiß zwar nicht, woran du denkst, aber ich bin skeptisch.«
»Mach es einfach, bitte! Ich sag auch nachher nicht, dass die Idee von mir kam.«
»Ja, aber …« Silke war eine typische Ja-aber-Frau. Die besten Ideen, Möglichkeiten und Gedanken sabotierte sie mit diesen zwei Wörtern.
»Was denn?«
»… die Zwillinge haben heute bis um sieben Aikido-Training.«
»Die Zwillinge werden mal zehn Minuten warten können und sich demnächst über ihre erfolgreiche Mutter freuen. Schon mal bei so einer Verleihung dabei gewesen?«
»Nein.« Silke liebte es, sich bei offiziellen Veranstaltungen zu zeigen.
»Aber ich. Du wirst das Gefühl dort oben auf der Bühne lieben. Und du kannst dein blaues Kleid tragen, das kurze, in dem kommen deine Beine mega… äh, gut zur Geltung, und blau ist der perfekte Untergrund für einen Orden.«
Noch nie hatte jemand aus der Abteilung einen Orden bekommen, was für einen Orden überhaupt? Es gab keine Oscar-Verleihung für erfolgreiche
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