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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Hintergrund ihres Glitzerlebens stand, Emil die arme Halbwaise. Sie hatten Fotos von ihm vor seinem Kindergarten geschossen – seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten , lautete die Unterschrift –, sich dann später entschuldigt und das Bild, notdürftig verpixelt, gleich noch einmal gezeigt. Einzig Evas Eltern gaben zahlreiche Interviews, sogar demselben Boulevardblatt. Seitdem hatte Eva kein Wort mehr mit ihnen gesprochen.
    »Du warst einer der wenigen, die einen persönlichen Brief geschrieben haben. Die meisten von ihren angeblichen Freun den haben sich in Blättern wie Bunte und Gala geäußert, wie betroffen sie sind und welch liebste, engste Freundin Milena doch war. Das waren Selbstdarstellungen in Form von Trauerkolumnen. Abartig.«
    Sie hielten vor einem Lokal, aus dem laute Musik kam.
    »Tanzen?«
    »Bitte!«, erwiderte Eva. Hand in Hand betraten sie den Rose Club.
    Als sie zwei Stunden später wieder auf dem Bürgersteig standen, war ein rosa Streifen am Himmel zu sehen.
    »Ich bringe dich nach Hause.« Eva hätte normalerweise vielleicht abgelehnt, aber sie musste an Helga und ihre Warnung denken. Ob sie die Gelegenheit für einen One-Night-Stand nutzte? Donald hatte nicht abgeneigt gewirkt. Hatte man mit zweiundsechzig noch One-Night-Stands? Wer, wenn nicht Helga?
    »Wo musst du hin?«, fragte Jannis.
    »Äh, auweia, ich habe zu viel getrunken, ich weiß den Namen der Straße nicht mehr.« Sie überlegte. Wie hieß noch mal der Park, durch den sie zu Beginn des Abends mit Emil und Georg gegangen war?
    »Man konnte das Kolosseum sehen, von einem Park in der Nähe!« Jannis zückte sein Handy und suchte bei Google Maps.
    »Oder das Panella, da waren wir heute Abend nebenan im Restaurant. Von da aus finde ich die Wohnung.«
    »Okay, das Panella habe ich«, sagte Jannis einen Moment später. »Largo Leopardi. Aber was wollen wir da überhaupt? Komm doch mit zu mir!« Er kam mit seinem Mund ganz nah an ihr Ohr: »Ich würde so gerne mit dir schlafen, bitte, lass uns gehen!«
    Eva erschauderte, das Flüstern gefiel ihr. Bedauernd schüt telte sie den Kopf. »Mi dispiace, amore! I’m sorry!«, flüs terte sie zurück. Und etwas lauter: »Was heißt das auf Ungarisch?«
    »Tja, das werde ich dir erst verraten, wenn du auf meinem Kopfkissen liegst.« Er steckte das Handy in die Hosentasche und hielt ihr Gesicht in beiden Händen. »Du machst mich so an, Eva, du bist so schön, innen und außen. Und du gefällst mir heute noch viel besser als damals bei der Hochzeit. Und da fand ich dich auch schon unfassbar toll …«
    »Das kommt, weil ich dauerbetrunken durch Italien reise.«
    Er sah sie mit einem zärtlichen Ausdruck in den Augen an: »Ich würde dich gerne wiedersehen. Ich würde gerne viel mehr Zeit mit dir verbringen …«
    »Ich auch mit dir!« Sie küsste ihn. Spätestens übermorgen wäre sie auf dem Weg nach Apulien, um Grundstück und Trullo zu verkaufen. Mit Georg.
    »Die U-Bahn fährt ab halb sechs schon wieder, oder laufen wir?«
    »Bitte nicht, meine Füße wollen nicht mehr.«
    »Deine Beine sehen aber megageil aus in den Schuhen! Oh, scusa. « Er schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Ist schon okay.«
    Die Wände der Haltestelle Re di Roma waren aus Beton gegossen, man sah die Muster der Holzverschalung noch, Rohre zogen sich an der Decke entlang, es sah aus wie in einem Kellergewölbe. »Prossimo treno tra 2 minuti«, stand auf der Anzeige, da fuhr die Bahn auch schon ein. Eva ließ sich auf einen der orangen Sitze fallen.
    »Ich mache ein Foto von uns, damit ich was zur Erinnerung habe, bis du wiederkommst!« Jannis setzte sich neben sie und hielt sein Handy mit ausgestrecktem Arm in Position.
    »Du kommst doch wieder?«
    »Natürlich!«, sagte Eva und setzte ihr Fotografiergesicht auf. Dicht an ihrer Schläfe spürte sie Jannis’ warme Haut. Augen auf, nicht blinzeln und bloß keine Entenschnute. Fertig. Er zeigte es ihr, sie sah gut aus, besser als in der Realität, er sowieso, verdammt fotogen.
    »Dubissüß!« Sie nuschelte schon vor lauter Müdigkeit. Oder war es der Wein? Oder der fruchtig-grüne Drink, den sie beim Tanzen noch in sich hineingeschüttet hatte?
    »Ich weiß! Du aber auch!«
    Er schaute ihr tief in die Augen. Eva drehte ihr Ticket in den Händen, ohne den Blick zu senken. »Wie viele Stationen fahren wir noch?«
    »Äh, noch zwei. Piazza Vittorio Emanuele müssen wir raus.«
    »Gut, ich beeil mich.« Sie begann aus dem Ticket einen Schmetterling zu falten, ein

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