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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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abgedreht.
    »’tschuldigung!« Sie machte sich los und wischte sich unter der Nase entlang, innerlich plötzlich ganz kalt und wütend. Mit großen Schritten lief sie weg von ihm, rannte den kleinen steinernen Weg entlang, der sich um die Vorderfront des Hauses und um den Trullo zog, und bog um die Ecke des Anbaus. Der Verfall passte bestens zu ihrer Stimmung, die Balken der Pergola waren von der Sonne ausgebleicht, aber nicht zerstört. Ohne die Bastmatten, die sie im Sommer immer daraufgenagelt hatten, sahen sie nackt und verletzlich aus.
    Zum Trichter brauchte sie gar nicht erst zu gehen, sie wusste, ein dreckiges Loch würde sie erwarten, kein Wasser drin, nur Blätter, Erde, Müllfetzen, die weit über den roten Olivenacker geweht worden waren, bevor sie dort unten endeten. Emil stand schon davor, sie sah nur seinen Rücken. Helga neben ihm.
    Eva wandte sich ab, die Olivenbäume rings um das Felsplateau waren nicht geschnitten worden, dünne Äste wuchsen wie Weidenruten aus den dickeren hinaus, kleine Triebe schossen an den Stämmen hoch. Von diesen Bäumen konnte man nicht mehr ernten, sie verpulverten all ihre Kraft für Triebe und Blätter anstatt für gute Oliven. Auf dem ganzen Grundstück, so weit ihre Augen bei der nun einbrechenden Dunkelheit schauen konnten, stand das Unkraut hüfthoch und zundertrocken, eine echte Brandgefahr. Das hast du uns doch immer gepredigt, Mimmo! Sie konnten dafür eine hohe Strafe kassieren, wenn jemand gemein sein wollte und sie anzeigte.
    Trullo UNO und ALTRO sahen von außen recht gut aus, die Kugeln saßen an ihrem Platz auf der Spitze, auch die Freiluftküche und die gemauerte Bank hatten keinen Schaden genommen. Wie Mimmo vorausgesagt hatte, ragten die grünen Ohren der Kaktusfeige inzwischen weit über die Windfangmauer, sie trugen sogar kleine orange Früchte.
    »Das Gitter vom Grill ist weg«, sagte Georg. Sie zuckte mit den Achseln, ließ das alte Laub unter ihren Füßen aufwirbeln und umrundete den rechten der Zwillingstrulli. Der Oleander hatte keinen Schaden genommen, er überragte Eva um einen Meter. Doch wo war ihre schöne Außen dusche? In der Trullowand sah sie im schwindenden Tageslicht nur ein Loch, jemand hatte das Rohr samt Duschkopf abmontiert wie auch die teuren Designer-Handtuchhaken, die von Georg mühsam mit jeweils zwei langen Schrauben im Stein verankert worden waren.
    »Die Feststeller für die Fensterläden fehlen auch, am ganzen Haus, selbst die Wäscheleine zwischen den Bäumen dort vorne ist zerschnitten«, verkündete Georg, der sie hinter dem Trullo fand. Es klang fast zufrieden.
    »Wer macht so was?«
    »Die Jäger. Die stiefeln im Winter übers Land, schießen Hasen und Vögel und klauen alles, was sie mitschleppen können. Wenn die Mauern nicht höher als sechzig Zentimeter sind, dürfen sie das sogar. Das Jagen, meine ich.«
    »Unsere Mauern sind aber drei Meter hoch, Milena hat nach den Paparazzi-Fotos ein Schweinegeld für den Zaun und die Erhöhung der Mauer bezahlt. Wie sind die hier rein gekommen?«
    »Vorne übers Tor geklettert, hinten übers zweite Tor geklettert? Komm, wir sehen uns mal an, wie es drinnen aussieht.«
    »Gibt es denn Strom?«
    »Bis jetzt nicht, der Schalter für die Außenbeleuchtung ist jedenfalls tot. Vielleicht hat Mimmo die Sicherung rausgedreht.«
    »Der hat hier gar nichts gedreht, weder rein noch raus«, sagte Eva dumpf. Sie sah, wie Helga Emil einen Arm um die Schultern gelegt hatte, noch immer standen sie bewegungs los vor dem Trichter. Wie vor einem Grab, schoss es ihr durch den Kopf, dann ging sie zurück zur Haustür. Weiter, dachte sie, tiefer hinein in die Erinnerung, schnell, schnell, irgendwann sind wir fertig damit und können wieder gehen.
    Der Gestank war gar nicht so schlimm, hatte sich dafür aber überall ausgebreitet. Das Tier, das Georg schließlich in der Rückenlehne des Schlafsofas fand, war so ausgetrocknet und zusammengeschnurrt, dass es selbst kaum stärker roch. Es hatte nur recht viele Haare verloren und sich eine Höhle in die Polsterung geknabbert.
    Emil beugte sich vor: »Was ist das?«
    »Das war mal ein Marder«, sagte Georg, »der hier gewohnt hat und glücklich war, seine Marderkacke verteilen zu können.«
    Eva schaute sich um, froh, dass das Licht wenigstens funktionierte. Überall, wirklich überall, auf dem Tisch, auf dem Herd, in jeder Mauernische lagen die Würstchen, grau und ausgedörrt wie sein Erzeuger. »Fass nichts an, Emil! Hast du gehört!?«
    »Ja,

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