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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Plötzlich verschwand sein Grinsen, seine Unterlippe zitterte, seine Augen, die er starr auf die Trullispitzen hinter ihnen gerichtet hielt, füllten sich mit Tränen. Alle schwiegen betroffen. »Ich finde es nämlich richtig schön hier.« Seine Stimme brach, er schniefte. »Du sagst doch immer, ich muss mich besser erinnern können, und daran erinnere ich mich noch, wie ich mit Mama mal unter dem Moskitonetz draußen geschlafen habe. Und du warst auch dabei. Wir alle, da drüben, unter der Pergola.«
    »Emil!« Georg kniete sich hin und umarmte ihn, sein Kopf lag an seiner Schulter, es sah aus, als müsse Emil ihn trösten, nicht umgekehrt.
    »Können wir das heute noch mal machen? Wenn wir den Marder begraben haben? Bitte!«
    »Emil, hier ist es nicht sauber, es könnten Krank heiten …«
    »Bitte!«
    Sie arbeiteten schweigend. Zunächst schleppten Eva und Georg das Sofa hinaus auf die Einfahrt, dann inspizierte Eva die ersten Plastikkisten, suchte Laken, Decken und Kopfkissen heraus. Helga fegte das vertrocknete Laub und die verschrumpelten Oliven der letzten Jahre unter der Pergola zusammen und arbeitete sich weiter vor auf den Hof.
    Georg trug mit Emil die unversehrte Matratze aus ALTRO und schleppte mit Eva das Bettgestell auf die gefegte Veranda, nachdem er die Balken auf ihre Festigkeit geprüft hatte. Auch aus dem Haus holten sie Gestell und Matratze; mit zusammengepresstem Mund, aber ohne ein Wort darüber zu verlieren, legten sie die angefressene, behaarte Seite nach unten.
    Nachdem das Nachtlager stand, half Emil Eva mit dem Bettzeug. Sie schnupperten sich durch die verschiedenen Kisten.
    »Die Sachen, die hier drin waren, riechen am leckersten, tè verde steht da drauf.« Er drehte das kleine Netz mit den grünen Kügelchen in der Hand, das zwischen den Kopfkissen und Spannbettlaken gesteckt hatte.
    »Das ist grüner Tee«, sagte Eva mit belegter Stimme, »also nicht in echt, nur die Duftrichtung.« Sie räusperte sich, ihre Augen waren verweint, aber das konnte Emil ruhig sehen. »Lavendel ist aber auch ganz okay. Riech mal!« Sie hielt ihm eine dünne Steppdecke vor die Nase, die auf einem Stapel Handtücher gelegen hatte. »Und schau doch mal in die Kiste dort, ich glaube, da könnten die Moskitonetze drin sein.«
    »Sind die auch mit Beduftung?«
    »Aber ja«, sagte Eva, und ein erstes kleines Lachen ent schlüpfte ihr, »sonst würde das alles ziemlich muffig riechen.«
    »Hier, Mamas Bademantel, der riecht auch nur noch nach tè verde! Ich zeig den mal Papa!« Er rannte davon.
    Eva schnappte nach Luft. Emil war mit Milenas Tod schon immer ganz anders umgegangen. Er hatte seine Mutter im Krankenhaus gesehen, in einem leeren Raum, in den sie sie gebracht hatten. Er wollte sie anfassen und tat das auch, ohne zu fragen. Eva sah sein Gesicht noch vor sich, dieses echte Erstaunen, mit dem es ausdrückte, dass seine Mama sich nicht mehr wie Mama anfühlte.
    »Sie ist weg unter der Haut!«, hatte er plötzlich gesagt. Sie konnte noch immer nicht an den Satz denken, ohne dass ihr die Tränen hinunterliefen. Ja, sie war weg unter der Haut. Hatte sie alle verlassen. Zurückgelassen.
    Seine kleine Kinderseele hat ihren Tod ganz anders akzeptiert. Er hatte ihre Socken betrachtet, die ordentlich neben den wenigen anderen Sachen auf einem Stuhl lagen. Ihren Ehering, den sie nie abgelegt hatte, ihre lange Schlafanzughose. Warum haben sie ihr überhaupt Socken und Hose ausgezogen?, fragte Eva sich. Emil interessierten nur die Socken. Er hat gefragt, ob sie sie ihr wieder anziehen sollten, damit ihre Füße nicht kalt wurden.
    Die Striche von Helgas büßendem Besen kamen zum offe nen Fenster hinein.
    Als sie alle vier schließlich unter den Moskitonetzen lagen und sich gegenseitig wie bei den Waltons eine gute Nacht gewünscht hatten – Gute Nacht, Emil! Gute Nacht, Eva! Gute Nacht, Helga! Gute Nacht, Georg! –, war es still.
    Eva starrte in das weiße Zelt über sich, das sie schützend umschloss, zwischen den Balken der Pergola konnte man den nachtblauen Himmel sehen und ein paar Sterne. Helga lag stumm an den Rand der Matratze gedrückt, ihr Kopf wirkte auf dem Kissen sehr klein. Jetzt, am Ende der Reise, teile ich doch noch ein Bett mit ihr, unfassbar, dachte Eva.
    Die Blätter der Bäume rauschten, irgendetwas knackte in den Büschen am Trichter. Ich muss Silke morgen anrufen, ging ihr durch den Kopf, und Mimmo, den alten Gauner. Tommaso muss neues Wasser bringen. Was Jannis jetzt wohl macht? Bei dem Bild

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