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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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überstimmt. »Trullooo!!«
    Okay, wenn Georg meinte, dass Emil mit dabei sein sollte, sie würde sich nicht aufregen. Es war sein Sohn, egal was er darüber dachte, es war seine Frau, es war die Mutter seines Sohnes, die dort als Erinnerung her umgeisterte. Sie zuckte mit den Achseln, vielleicht war es gut, heute schon hinzufahren, sodass sie wussten, was morgen noch getan werden musste, bevor sie das Grundstück mit allem, was sich darauf befand, einem Makler anboten.
    Ein paar neu bebaute Grundstücke gab es, einige seit ewigen Zeiten verfallene Trulli waren wieder errichtet worden, und dann, nach sechs kurvigen Kilometern, passierten sie endlich das Hundeheim.
    »Das Hundeheim! Das kenne ich noch, die Hunde waren immer so laut!«, rief Emil.
    »Genau!«, sagte Eva. »Wenn der Wind richtig stand, hörte man sie nachts auch bei uns am Trullo.«
    La Zampa , die Pfote, stand über einem mit grünen Net zen und grauen Betonplatten abgeschirmten Zwingergelände, wo die verwilderten Hundebanden eingesperrt waren, die noch vor ein paar Jahren die contrade unsicher gemacht hatten. Nun bellten sie sich hinter hohen Mauern heiser und wurden von Freiwilligen versorgt. Ab und zu legte jemand ein paar Dosen Futter vor das Tor.
    Georg bog rechts ab. Die Straße wurde immer schmaler, bald bestand die Teerdecke nur noch aus Löchern, und irgendwann war sie ganz verschwunden, stattdessen gab es reichlich groben Schotter, feine Steine und weißen Staub, der hinter ihnen im Licht der Rücklampen aufwirbelte. Georg bog links ab, dann wieder rechts, nun ging es hinauf, der Weg war noch ausgewaschener und mit mehr Löchern versehen als damals. Georg versuchte geschickt auszuweichen, um die Reifen, Stoßdämpfer und den Auspuff vor den schlimmsten Kuhlen zu schützen. Die Mauer des Grundstücks tauchte auf, der Efeu, mit dem sie bewachsen war, hing schlapp herunter. Schon waren sie am Tor, und Georg hielt an. Niemand sagte etwas. Eva stieg aus, den Schlüsselbund bereits in der Hand, seit sie das Hundeheim passiert hatten.
    Sie schloss auf und zog das Tor zur Seite. Es verhakte sich in einigen Zweigen, rollte dann aber weiter, Georg fuhr an ihr vorbei.
    Oje, Eva stöhnte auf, man sah es sofort: Mimmo war nicht hier gewesen, offenbar sehr, sehr lange nicht. Was war los mit ihm? Vor ein paar Wochen hatte sie ihm doch angekündigt, sie kämen Mitte, Ende Juni. »Ja, ja, ich übernehme das, ich kümmere mich drum, du machen dir keine Sorgen!«
    Diese Anhäufung von Versprechungen hätte sie hellhörig machen müssen.
    Die zehn Meter lange Einfahrt, an dessen Ende Georg das Auto parkte, war nicht mehr weiß, sondern braun. Abgestorbene Olivenblätter, braun und spindelförmig, lagen in mehreren Schichten darauf, der feine Kies, Marke Riso extrafein, war kaum mehr zu erahnen. Die beiden Tontöpfe an der Tür waren auseinandergebrochen, die Agaven hatten sie mit ihren Wurzeln gesprengt und waren dann in der Sonne vertrocknet. Auch eine Art, sich selbst umzubringen, dachte Eva. Ihr Blick ging zu der Trullomütze, die sich links mit dem Anbau verband. Zwischen den Olivenzweigen suchte sie nach der Kugel auf der Spitze. Sie fehlte. Hinuntergefallen? Geklaut? Nichts war hier mehr so, wie es einmal war. Eva spürte einen Klumpen im Magen und schloss im Licht von Georgs Scheinwerfern die hellblaue Eisentür auf, die die eigentliche Haustür schützte. Ein kurzer Blick auf die Fenster, hier schien alles in Ordnung, keine Spuren von Einbrechern, die schon mal gern aus Wut die eisernen Läden verbeulten, weil sie nicht hineinkamen.
    »Komm, wir schauen uns kurz draußen um, bevor wir reingehen«, sagte Georg hinter ihr. Sie drehte sich um und ließ sich in seine Arme fallen, es war ihr egal, ob Helga oder auch Emil sie dabei sah. »Ach Georg!« Sie hörte sich tief schluchzen, die Tränen kamen ganz einfach, sie liefen und wollten nicht aufhören. Er zog sie fest an sich, streichelte ihre Schulter. Er wusste, dass sie ihre Schwester vermisste, er wusste, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, er wusste alles.
    »Schscht. Ist ja gut, alles wird gut!« Eva schluckte salzige Tränen, mehr fiel ihm nicht ein? Nichts war gut, verdammt! Warum flüsterte er ihr diese Erwachsenenlüge ins Ohr? Auf diesem Grundstück, hinter diesen Türen gab es nichts mehr, was wieder gut werden konnte, weil es längst vorbei war. Es gab nur noch ihre Erinnerungen und die Vergangenheit, es war keine Fortsetzung möglich, die allerletzte Folge war lange

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