Orangenmond
auf einen Stuhl und murmelte etwas von fantastischem Licht.
Eva verzog sich in Unterhemd und kurzen Hosen auf den Trullo, nachmittags um fünf hatte man auf der kleinen Plattform immer noch Sonne, während sie am Trichter schon hinter den Bäumen verschwunden war. Emil kam ihr hinterher. Sie bat ihn, ihr das Handy zu holen und, wenn er schon ins Haus ginge, auch noch ein Glas Pfirsichsaft und »Ach, ein Kissen für meinen …«
»Arsch?«, fragte Emil mit treuherzigem Augenaufschlag.
»Hintern. Genau!«
Er brachte alles über die schmalen Stufen zu ihr herauf, hatte auch für sich Kissen und Pfirsichsaft mitgebracht. Zusammen, den Rücken an die Trullokuppel gelehnt, saßen sie dort und sahen der Sonne beim Untergehen zu. Keine neuen Nachrichten, meldete das Handy. Meno male. Umso besser. Nach einer Viertelstunde hörten sie Helgas Ballerinaschritte über die Kiesauffahrt huschen und kurz darauf, wie das Rolltor aufging.
Emil sprang auf. »Was hat Oma vor?« Eva war zu träge, um sich zu erheben und um die Kuppel herumzugehen.
»Was tut sie?«
»Sie zieht die Mardermatratze wieder zu uns rein, aber sie schafft es nicht. Ich helfe ihr besser.« Eilig kletterte Emil die Stufen hinunter.
Herrlich, dachte Eva und lehnte sich wieder zurück, endlich habe ich meine innere Ruhe gefunden. Den Heuhaufenfall habe ich an Brockfeldt delegiert, der Trulloverkauf wird sich auch ohne mein Zutun regeln, und Georg hat noch zwei Tage. Ich kann warten! Vielleicht wird heute Nacht etwas geschehen. Oder auch nicht. Sein Antrag muss eindeutig sein. Echt und für immer. Kein Brückenbauen von meiner Seite, keine Kompromisse.
Eine neue SMS, nun doch. Eva streckte sich, um das Handy aus dem Sendeloch an der Kante zu erwischen. Brockfeldt! Ehemann spielte Basketball im Eimsbütteler SV. Bahnhöfe leer geräumt. Ein Ticket mit der richtigen Tatzeit auf dem Stempel! Deine Abteilung ist dran.
Na, denn man tau, dachte Eva und ballte kurz die Faust. Ja! Was für ein Zufall, ausgelöst durch eine kleine Idee, weil Ticket-Schmetterlinge manchmal fliegen können. Sie lächelte.
Und noch eine Nachricht war eingetrudelt, diesmal von Jannis. Werde meine Zelte in Rom bald abbrechen, vielleicht schon morgen. Produktion plötzl. unsicher, Bezahlung auch. Lust auf ein Wiedersehen in der Mitte, du Treulose? tat!
Wo wollte er sich mit ihr treffen? Zwischen Rom und Ostuni? In Kampanien vielleicht? Und was sollte tat! denn heißen?
Aber da kam schon die Antwort: tat! – Ti amo tanto, schreiben die Italiener.
Ach, Jannis, dachte sie, was mache ich bloß mit dir? Sie überlegte noch, was sie zurückschreiben sollte, als sie plötzlich einen Schrei von Georg hörte: »Wir haben kein Salz, verdammt!«
Sie durchsuchten die Schränke, aber Eva wusste schon, dass es hoffnungslos war. Es war keins im Haus.
»Wir können statt Salz Pfeffer nehmen!« Helga hielt die eingestaubte Pfeffermühle hoch, die Eva beim großen Putzen eigentlich schon hatte wegwerfen wollen.
»Fisch ohne Salz?! Ich fahre schnell los und besorge welches«, sagte Georg.
»Ich komme mit«, sagte Emil, »dann kann ich der Katze gleich Katzenfutter kaufen.«
»Ich fahre auch mit.« Helga streckte sich. »Ich muss hier mal raus, werde wahnsinnig, wenn ich heute nicht noch ein kleines bisschen Zivilisation sehe. Und wenn es Supermarkt gänge sind.«
»Gut, ich warte hier auf euch«, sagte Eva, der die Idee, alleine auf dem Grundstück zu bleiben, überaus gut gefiel. Zu viel Gruppe tat nicht gut, das hatte Helga ganz richtig erkannt.
27
Als sie anderthalb Stunden später endlich das Auto in der Einfahrt hörte, knurrte Evas Magen schon heftig. Das war aber ein langer Salzkauf, dachte sie und grinste, scheint ihnen ja egal zu sein, ob ich hier verhungere. Sie öffnete die Haustür.
Emil sprang hinten aus dem Wagen, Helga schien noch irgendwas am Boden vor ihrem Sitz zu suchen. Kaum war Georg ausgestiegen, drückte er Emil an sich, flüsterte ihm etwas ins Ohr und ging durch das Tor nach draußen.
»Was ist los, wo geht er hin?«, fragte Eva. Was war denn nun wieder passiert? Wenn die Stimmung mal gut ist, kommt bestimmt irgendetwas dazwischen, dachte sie. Eva, unsere kleine Pessimistin, spottete die Stimme ihres Vaters.
»Ich habe keine Ahnung!« Helga ging mit einer Plastiktüte an ihr vorbei in die Küche. Eva folgte ihr und beobachtete sie dabei, wie sie den Saft in den Kühlschrank räumte, das Paket Salz neben den Herd und das Waschpulver vor die Waschmaschine auf den
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