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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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und auch die Letzte, von der du irgendetwas erfahren würdest, Georg. Da hatten wir nun einen kleinen Pakt geschlossen.«
    Georg hatte sich umgedreht, hörte er überhaupt noch zu? Seine Schultern bewegten sich, aber Eva konnte nicht sehen, ob er weinte. Helga hatte sich auf eine der Liegen gesetzt. »Ich habe sie getröstet. Du liebst meinen Sohn, Milena, und er dich. Das ist wichtig, das ist das Einzige, was zählt. Mir ist das nie vergönnt gewesen, den zu heiraten, den ich liebte. Bei mir war es Berechnung, ja, so kann man es nennen. Die, die ich liebte, haben mich alle ruiniert. Die, die ich heiratete, haben mich wieder saniert – bevor sie dann pleitegingen.« Sie lachte dünn. »Damit war für mich das Blutgruppentheater erledigt. Wir Frauen haben so manche Geheimnisse, und die sind bei uns ja auch meistens gut aufgehoben, nicht wahr? Wir plaudern sie auch nicht aus«, sagte sie lächelnd in die Runde, »es sei denn, man bittet uns darum …«
    »Stopp!«, sagte Georg laut und wandte sich zu ihr um. »Mir reicht es! Wenn sie wirklich so überrascht war, wenn sie es wirklich nicht wusste, will ich es auch nicht mehr wissen! Denn was nutzt es mir, wenn du jetzt sagst, es war der Fischhändler oder der besoffene Reza, der Kamera-Konrad oder der arrogante Elio? Emil ist mein Sohn!«
    Eva nickte. Mann, Georg, endlich!
    »Wenn er Koliken hatte, habe ich mit ihm nachts den Regentanz getanzt, ich habe sein erstes Lächeln und sein erstes Pipi abbekommen, seine ersten Schritte gefilmt. Er hat Milenas Gesicht, ihren Körperbau, ihr Seufzen. Die Angewohnheit, das Nutella pur aus dem Glas zu löffeln, hat er sich bei mir abgeschaut. Vielleicht sage ich es ihm, wenn er achtzehn ist, soll er dann entscheiden, ob er Nachforschungen betreiben will.«
    »Ich bin ja diskret, mein Lieber …«, setzte Helga an.
    Georg lachte auf, diesmal durchaus belustigt. Helga verzog keine Miene. »Aber auch wenn ich es wollte«, fuhr sie unbeirrt fort, »könnte ich es dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass es in Positano beim Drehen geschehen sein muss. Mit wem, hat sie mir leider nicht verraten.«
    »Ach, Mutter! So weit waren wir auch schon mit unseren Nachforschungen. Komisch, warum habe ich nichts anderes erwartet …?« Er ging auf Helga zu, kniete sich wahrhaftig vor die Liege und umarmte sie lachend. Tränen liefen über seine Wangen, er rollte sich in ihren Armen zusammen und legte sein Gesicht in ihren Schoß, er machte sich klein wie ein verloren gegangener Dreijähriger, der seine Mutter endlich wiedergefunden hatte.
    Eva ging in ihren Trullo und streckte sich auf dem Bett aus. Georg weinte da draußen, aber gleichzeitig konnte er sein Glück nicht fassen. Seine Milena hatte ihm nicht wissentlich das Kind untergeschoben, darauf kam es ihm an, alles andere war nicht mehr wichtig für ihn. Seine erschütterte Welt war wieder heil. Heile, heile Segen.
    Sie starrte vom Bett aus in die Kuppel, die sich über ihr wölbte. Eine fette Kellerassel lief durch die Ritzen zwischen den Steinen und suchte sich ihren Weg nach unten. Evas Blick fiel auf den aufgeklappten Koffer. Die Proben. Sollte sie die jetzt wegschmeißen, oder was? Ich lasse ihn dir, Milena, ich hätte nie mit ihm glücklich werden können, und das ist ausnahmsweise einmal nicht deine Schuld! Sie lächelte. Ihre Geschichte mit Georg war zu Ende. Sie spürte immer noch eine gewaltige Leere in sich, aber auch eine große Ruhe. Sie hatte sich da draußen gerade entliebt, von einem Moment auf den anderen. Sie lachte versuchsweise. Die Wände warfen das Echo laut zurück.
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen: »Emil ist weg!«

 
    30
    »Emil!« Der Ruf hallte weit über das Gelände. Einige Hunde bellten von ferne, hörten dann mit einem Schlag auf. Stille.
    »Im Haus ist er nicht! Mein Gott, er würde uns doch hören!«
    »Ist er durch das Tor?«
    »Es ist nicht abgeschlossen. Vielleicht hat er es unbemerkt auf- und wieder zugeschoben.«
    »Ich laufe den Weg zur Straße hinunter, ihr durchkämmt das Grundstück.«
    »Was will der Junge denn da draußen?«, fragte Helga. Georg war schon durch das Tor, auf der anderen Seite der Mauer hörten sie seine Schritte.
    »Emil!« Seine panischen Rufe entfernten sich.
    Eva wusste, in seinem Kopf tobten jetzt Bilder von wei ßen Lieferwagen, Entführungen, eingesperrten Kindern, Löse geld.
    »Du gehst unten lang, Helga, ich oben herum!« Sie rannte über das Gelände, rief: »Emil!«, suchte mit den Augen den freien Raum zwischen den

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