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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Vielleicht waren sie in hundert Jahren immer noch da, wen interessierte das schon? Die Menschen rannten hinter ihrem Glück her und waren doch alle nur funzelige kleine Lichter auf dieser Erde, die irgendwann verlöschen würden. Wen kümmerte es?
    Vor dem Schalter in Bari stand nur eine kurze Schlange. In dem Moment, in dem Eva ihre Bordkarte in die Hand gedrückt bekam, klingelte ihr Handy. Brockfeldt, na endlich. Es kribbelte leise in ihrem Bauch, bevor sie ihn sagen hörte, dass sie ihn gefasst hatten! »Eva, das gibt ’ne Belobigung, es war dein Tipp, das muss man mal ganz klar sagen …!«
    Sie freute sich, aber es war keine große, triumphierende Freude mehr wie früher. So wie Weihnachten, nicht mehr so wichtig, schnell vorbei, und weiter geht’s.
    »Aber vergiss die Gutenachtgeschichte nicht!« Er lachte japsend. »Denn die schuldest du mir jetzt, da reden wir noch drüber … Prima! Prima!«
    »Ja, finde ich auch.«
    »Wann bist du wieder da?«
    »Morgen.«
    »Na, für ein paar Tage vielleicht, aber dann nimmst du mal deine Überstunden, hab’s schon mit Ulla besprochen. Hier ist nichts los, also, der gelöste Fall schlägt natürlich jetzt Wellen, kennst du ja, aber das ist nun Sache der Presseabteilung. Unsereins macht einfach weiter.«
    Genau, macht einfach weiter. Sie nahm ihre Handtasche und ging langsam zum Gate.
    Die Maschine war bis auf den letzten Platz belegt. Eva schnall te sich an und versuchte dabei zu vermeiden, der Frau links von ihr den Ellenbogen in die Seite zu rammen. Eine Stewardess in lila Uniform ging durch den Mittelgang und schlug rechts und links die Gepäckfächer zu. Zack. Zack. Zack.
    Aus dem Fensterchen zu ihrer Rechten konnte sie ein Stück der Tragfläche sehen, bis ihr dicker Sitznachbar seinen Kopf davorhielt. Ein Platz in der Mitte der Sitzreihe bei German-Air war Horror. Eva versuchte sich klein zu ma chen und zu entspannen, zweieinhalb Stunden bis Hamburg würde sie überstehen. Sie hörte den monotonen Anweisungen der Stewardessen auf den Monitoren nicht zu, sondern dachte an ihre Wohnung. Sie wusste schon, wie es riechen würde, wenn sie die Tür aufschloss. Nach staubigen Holzdielen und ihrem Waschmittel. Sie wollte nicht zurück. Vielleicht sollte sie ein Olivenbäumchen auf den Balkon stellen und sich eine Katze anschaffen. Einen rot getigerten Kater namens Konrad.
    Sie rollten vor, der Kapitän erzählte etwas über den Platz auf der Startliste, den sie innehatten, endlich wurden die Triebwerke lauter, sie fuhren los, wurden schneller, rasten über die Bahn, hoben ab. Die Klimaanlage fing an zu zischen, der Ton änderte sich, Luft wurde in die Kabine geblasen, die Schubkraft der Turbinen stemmte sie in die Höhe. Immer wieder ein Wunder, sie hatte nie so recht verstanden, wie Fliegen eigentlich möglich war. Plötzlich sah sie, dass vor ihr einige Arme emporschossen und heftig an den Luftdüsen hantierten. Man hörte Husten, Köpfe drehten sich um, noch mehr Arme, auch ihre Nachbarin fing an, hustend über ihrem Kopf an den kleinen Drehdingern herumzufummeln. Eva räusperte sich, das Kratzen in ihrem Hals hörte nicht auf, sie hustete. Als sie über die Köpfe schaute, sah sie vorn über den Sitzen weißen Rauch in die Kabine quellen. Es brannte!
    Angst und eine eiskalte Gewissheit breiteten sich in ihrem Bauch aus, in ihrer Brust, drückten ihr die Luft ab. Nein nein nein, konnte sie nur noch denken, das überleben wir nicht! Die Leute wurden unruhig, sie waren immer noch im Steig flug, schon zogen die Rauchschlieren nach hinten, eine Stewardess war vorn zu sehen, die in einen Telefonhörer sprach. So war das also, so sollte es enden, sie kam hier nicht mehr raus. Eva Jakobi, die Vorsichtige, die Findige, der immer noch etwas einfiel, kam aus ihrem beschissenen Dreiersitz, aus dem beschissen schwerfälligen Vogel, der sie nach Hause fliegen sollte, nicht mehr raus. Sie konnte nicht mehr richtig atmen, ihre Arme und Beine waren kraftlos. Verdammt! Sie wollte nicht sterben!
    »Meine Damen und Herren«, meldete sich die Stimme einer Stewardess, »wie Sie vielleicht bemerkt haben, füllt sich unsere Kabine mit Rauch!«
    Ach wirklich?! Sie klang gelassen und munter, als ob sie gleich die neusten Parfüms im Bordverkauf anpreisen wolle.
    »Wir fliegen jetzt eine Kurve und kehren sofort nach Bari zurück. Bitte bleiben Sie angeschnallt, nehmen Sie eine geduckte Position ein und halten Sie sich ein Stück Stoff oder Tuch vor Mund und Nase.«
    Eva schluchzte und

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