Orangenmond
Mauersegler kreischten oben in der Luft. Da war schon das geliebte Hundeheim, der Weg präsentierte sich immer noch staubig und voller Löcher, sie kurvte mit den kleinen Rädern darum herum. Sie war am Leben!
»Du machst ja Sachen! Du hättest einfach nicht ohne uns abreisen sollen!« Georg schloss sie in die Arme. »Es war so leer ohne dich, der Rest unserer Reisetruppe hat dich schon schmerzlich vermisst!«
»Eva, du meine Güte, beinahe abgestürzt?!«
»Mit dem Helm siehst du cool aus, kann ich den auch mal aufsetzen?«
»Na klar. Hier.« Sie reichte Emil den Helm, wischte sich Schweiß und Staub von der Stirn und rief: »Schön, wieder hier zu sein! Was gibt’s zu essen?«
»Fisch vom Grill und Gurkensalat aus diesen Monstergurken hier!« Georg zeigte ihr eine Gurke von der Größe einer kleinen Honigmelone, die er immer noch in der Hand hielt. »Vorher orecchiette mit Tomatensoße. Wir sind schließ lich in Apulien.«
Emil nahm ihre Hand und ging mit ihr am Haus vorbei unter die Pergola. »Nach dem Schreck musst du dich erst mal abkühlen, oder?«
»Ja, aber so was von!« Sie schleuderte ihre Schuhe von sich, nahm Anlauf und sprang vor Emils staunenden Milena-Augen mit einem großen Satz in den Trichter.
32
»Und du bist sicher, dass du morgen schon wieder fahren musst? Ich denke, du hast deinen Leuten in der DNA-Abteilung gesagt, du hängst noch eine Woche dran?«
»Ich muss nicht, ich möchte. Vielleicht mache ich noch einen Zwischenstopp irgendwo. Habe mich ans Herumziehen gewöhnt.«
»Verzeih mir, ich war gestern schräg drauf. Diese ganzen Beichten und Eröffnungen von Helga …«
»Ich kann das verstehen, und ich weiß, wie dich das getroffen haben muss. Das mit deinem Vater, aber auch die Sache mit dem Jahr bei Brigitte. Und das mit Milena sowieso.«
»Du findest mich schrecklich, oder?«
»Wäre das wichtig?«
»Na ja, ich möchte, dass du mich gut findest. Dass wir zusammen sind.«
Was hätte sie noch vorgestern für diesen Satz gegeben! Aber sie schwieg, bis Georg wieder zu reden begann:
»Wie ich neulich schon sagte, ich könnte mir das schon vorstellen … Weiß zwar nicht, was Emil dazu sagen würde.«
»Wer weiß das schon …«
Georg guckte irritiert. »Klappt doch wunderbar mit uns. So eine Reise ist immer ein Test, und diese Reise allemal.«
So wunderbar klappte es ja nun überhaupt nicht, dachte sie, besonders dein unschlüssiges Hin und Her nervt. Und, na ja, deine Art, Liebe zu machen ist auch gewöhnungsbedürftig. Ich habe dir das nie gesagt, aber warum hat Milena dir da nicht ein bisschen mehr beigebracht? Womit wir beim Thema wären.
Den letzten Satz hatte sie anscheinend laut gesagt. »Was für ein Thema?«, fragte Georg irritiert.
»Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber heute im Flugzeug habe ich gemerkt, wie sehr ich an Apulien und diesem Stück Land hänge. Was hältst du davon, wenn wir den Trullo einfach behalten? Vielleicht ab und zu an Freunde vermieten? Den blöden Trichter zu einem richtigen Pool ausbauen?«
»Mmmh. Daran habe ich auch schon gedacht. Aber was ist mit Milena? Sie ist hier noch so präsent. Vielleicht würde mich das doch stören.«
»Hier würde sie dich stören?! Aber bei der Sache zwischen uns nicht?« Eva stemmte die Hände in die Seite und lachte. Sie merkte, dass die Sätze, die jetzt aus ihr heraus wollten, schon die ganze Zeit fertig formuliert in ihr gesteckt hatten. Sie nahm die Hände wieder runter, denn sie erinnerte sich gerade selbst ganz fürchterlich an ihre Mutter. Etwas weniger laut fuhr sie fort: »Es stimmt, hier am Trullo ist sie bei uns, ich spüre sie überall. Aber ich spüre auch, dass sie es mag, wenn wir hier sind und es uns gut gehen lassen.« Sie ging zu ihm und nahm seine beiden Hände in die ihren. »Bei der Geschichte mit uns dagegen …«, sie machte eine Pause, obwohl sie genau wusste, was sie gleich sagen würde, »da wäre sie tatsächlich immer zwischen uns, und da gehört sie auch hin. Als deine Frau steht sie da. Und als meine Schwester. Ihretwegen kann zwischen uns nichts mehr werden, Georg, der Platz ist einfach für immer besetzt.«
Eva drehte den Gashebel bis zum Anschlag, der Roller machte einen Höllenlärm, als er durch die engen Gassen knatterte, vor der letzten engen Kurve ließ sie ihn lieber ste hen, machte die Flitschegummis vom Gepäckträger und bug sierte den Koffer über die letzte Steigung des Gässchens bis vor Mamma Isas Haus.
»Jetzt brauchen Sie doch ein Zimmer, meine
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