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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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ihrem Mund geformt ist. Sie machte immer einen Dachgiebel daraus. Ich kenne keine Frau, die das tut.
    Man erklärte mir auch, warum Emil so reagiert. Sein Trauermodus wird zwischendurch einfach abgeschaltet, um seiner kleinen Seele Platz zum Leben zu lassen. Manch mal beneide ich ihn um diese Fähigkeit.
    Ich selbst bleibe nie dort, unter den zurückgelassenen Partnern, den trauernden Müttern, den trauernden Vätern. Ich bin nicht bereit für Gruppendynamik und Bastelkram.
    2. März
    Ich war bei Waltraud, einer Psychologin. Zweimal, dreimal. Dann hatte ich genug. Was bringt das? Es leuchtet mir nicht ein. Milena bringt es jedenfalls nicht zurück. Ich hasse dieses Psychogeplapper. Alles ist bedeutungslos, am liebsten würde ich nur noch im Bett bleiben, aber ich muss weitermachen, irgendeiner Tätigkeit nachgehen, Hauptsache, nicht grübeln, nicht überlegen.
    Eva seufzte und blätterte vorsichtig um. Doch auf der nächs ten Seite war nur das Rezept von »Hühnchen mit Feigen« notiert.

 
    13
    Perugia schaute von seinem Berg aus auf sie herab. Die orangerötlichen Dachziegel vermischten sich mit ockergel ben Backsteinen, dazwischen sah man Zypressen, Pinien und einige Kirchtürme – spitz und schlank wie Bleistifte oder breiter mit luftigen Aussparungen, in denen mächtige Glocken hingen.
    Nichts hat sich geändert, dachte Eva, bis auf ein paar Kräne, die früher an anderer Stelle gestanden haben. Sie musste an ihre Ankunft im Juli vor achtzehn Jahren denken. Von Hamburg aus waren sie insgesamt zweiundzwanzig Stunden mit der Bahn gefahren. In München hatten sie fast den Transalpino-Nachtzug verpasst, weil Milena unbedingt noch ihren damaligen Freund anrufen musste und auf dem Bahnhof keine funktionierende Telefonzelle fand. Wenige Wochen zuvor hatte sie mit einem sehr lässigen Notendurchschnitt von drei Komma zwei ihr Abitur bestanden und als Lysistrata im Abschlussstück der Theater gruppe brilliert. Ihr Freund, die männliche Hauptrolle, war im Frühjahr in Wien an einer Schauspielschule angenommen worden. Milena war verliebt und wollte sich unbedingt auch in Wien bewerben. Zwei Wochen später machte sie von einer italienischen Telefonzelle aus Schluss mit ihm.
    Südlich von Florenz hatte es damals zu regnen begonnen. Als sie ausstiegen, rutschte Milena mit ihren Clogs eine nasse Stufe hinunter und verdrehte sich den Knöchel. Es regnete immer noch heftig und hörte für die nächsten drei Tage auch nicht wieder auf. Umbria, das grüne Herz Italiens, spätestens zu diesem Zeitpunkt verstand Eva, warum die Italiener der Provinz diesen Beinamen gegeben hatten.
    Die Fenster des orangefarbenen Omnibusses waren von innen beschlagen gewesen, langsam hatte der Bus sich in großen Runden den Berg hinaufgequält, auf dem Perugia sich ausbreitete. Eva hasste das Gefühl, blind zu sein, die Feuchtigkeit stieg von den Bäumen, den Straßen und aus den Parks auf und hüllte alles in einen dunstigen Schleier aus feinsten Wassertröpfchen. Sie keuchten mit ihren Koffern die steilen Gassen hinauf, von denen ihnen das Wasser in Sturzbächen entgegenfloss. Milena hinkte erbärmlich, und die Hanfsohlen von Evas Espadrilles waren schon am Bahnhof völlig durchnässt gewesen, sie lief wie auf nassem Stroh. Das Zimmer hatte sie schriftlich bei der Zimmervermittlung von zu Hause aus angemietet. Es war dunkel, klamm und teuer und befand sich am anderen Ende der Stadt, weit entfernt von der Fremdenuniversität. Eva hatte sich bemüht, alles gut zu organisieren, und hatte doch alles falsch gemacht. Milena dagegen hatte nichts organisiert, sie lag mit immer weiter anschwellendem Knöchel auf ihrem durchgelegenen, schmalen Bett, fror unter der dünnen Decke und träumte von Pellkartoffeln mit Mayonnaise. Aber sie machte Eva keine Vorwürfe.
    »Ah, wir haben wieder ein Netz!«, unterbrach Georg ihre Gedanken, denn auch sein Handy stieß nun kleine Geräusche aus.
    Eva tippte hastig auf ihrem Tablet herum. Anstatt an vergangene Zeiten zu denken, sollte sie sich lieber schnell um eine Bleibe kümmern, möglichst direkt im Zentrum. Es war Sonntag. Es war Sommer. Die Stadt würde voller Studenten und Touristen sein. Im Hotel Fortuna gab es keine drei Zimmer mehr. Nur noch ein Doppel, ein Einzel. Oder wie wäre es mit dem Hotel Europa? Das sah sehr nett aus und lag in einer angeblich ruhigen Seitenstraße des Corso Vannucci. Mist, nur noch zwei Doppel. Aber mit Helga in einem Zimmer? In einem Doppelbett womöglich? Niemals! Dann lieber in

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