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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Platz zeigen, wo sie abends Gläser eingesammelt hat, es ist gleich hier um die Ecke, da können wir vielleicht auch essen.« Doch das Gittertor der Terraza war verriegelt, das Lokal selbst anscheinend schon seit Jahren geschlossen.
    »Hat sie dir von dem Geld was abgegeben, das sie beim Gläsersammeln verdient hat?«, fragte Emil.
    »Nein, das war aber auch ziemlich wenig, sie hat dadurch nur unheimlich viele Leute kennengelernt. Und die kannten dann bald auch mich.«
    »Also hat sie dir ihre Freunde abgegeben!«
    Eva nickte erstaunt. »Stimmt, so habe ich das noch gar nicht gesehen.«
    Perugia besteht aus Stufen, Treppen, Absätzen, Steigungen, erhöhten Plätzen, kleinen Gassen und Straßen. Es gibt abschüssige Straßen, steile oder sehr steile Straßen. Es gibt Gassen, die zu Treppen werden, und Straßen, die neben Treppen herlaufen. Es gibt hohe und flache Stufen und Stufen, die in Straßen übergehen. Es gibt Straßen, die so tun, als wären sie Straßen, und doch nach jedem Meter eine kleine Stufe bereithalten, und noch unendlich viele andere Variationen mehr.
    Sie liefen sie alle an diesem Nachmittag. Als sie den Corso Garibaldi wieder betraten, schaute selbst Helga nicht mehr in die Schaufenster.
    »Die verborgene Stadt unter der Rocca Paolina schauen wir uns morgen an, heute wird das zu viel«, sagte Eva zu Emil, der allerdings noch am frischsten von allen erschien.
    Als sie gegen sieben im Hotel ankamen, sagte niemand mehr einen Ton, auch Helga nahm wortlos ihren Zimmerschlüssel entgegen. Im Fahrstuhl dröhnte die Stille in Evas Ohren. Hatte sie alle überfordert mit ihrem endlosen Streifzug durch die Zeit auf Milenas Spuren, die auch ihre eigenen waren?
    »Wir ruhen uns ein bisschen aus, und dann gehen wir essen«, schlug Georg vor, als sie auf dem dicken Teppich im Flur standen. Emil schüttelte den Kopf.
    »Hier gleich um die Ecke, nicht weit. Ich habe da einen Laden gesehen, traditionelle Küche, keine englische Speisekarte.« Emil senkte das Kinn auf die Brust.
    »Nicht viel laufen! Versprochen!« Emil verschränkte die Arme und bewegte sich gar nicht mehr.
    »Ich ruf dich an!«, sagte Georg seufzend zu Eva.
    Anderthalb Stunden später hatte Eva geduscht und es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht. Wieder klingelte das Telefon, diesmal das goldene an ihrem Bett.
    »Komm bitte mal rüber, und bring dein Tablet mit!«, flüsterte Georg durch den Hörer.
    »Hier, schau dir die beiden an!« Er flüsterte immer noch, als er ihr die Tür von Suite 314 öffnete. Helga und Emil lagen nebeneinander auf dem matrimoniale , dem großen Ehebett. Emil hatte noch seine Klamotten an, sein Mund war mit Schokolade verschmiert, Helga war in einen fliederfarbenen Hausanzug gehüllt.
    »Sie sagt, sie legt sich nur kurz hin, und pennt dann ein.« Helga lag auf dem Rücken, wie aufgebahrt, ihr Lidschat ten schimmerte metallisch blau, ihr Mund lächelte im Schlaf, der Lippenstift war zu grell, dafür aber perfekt aufgetragen.
    »Willst du sie nicht wecken?«
    »Vergiss es. Wenn Helga einmal schläft, dann schläft sie, das war schon immer so. Die kriege ich jetzt nicht mehr wach. Und bei Emil ist es genauso, hat er anscheinend von ihr ge…« Er brach ab. Nein, geerbt hatte Emil von Helga nichts, gar nichts.
    »Und nun?«
    Georg atmete tief ein und wieder aus. »Nun gehen wir und suchen den Reza Pahlavi, nein, wie heißt der noch?«
    »Reza Jafari.« Eva hob resigniert ihr Tablet. »Und du willst natürlich, dass ich herausbekomme, wo er steckt.«
    »Würde uns vielleicht die eine oder andere Stufe und Steigung ersparen … Gib doch mal cinema , Reza Jafari und Perugia ein.«
    »Habe ich schon gemacht.«
    »Und!?«
    »Ihm gehört das Freiluftkino im Frontone-Park. Da bin ich nie gewesen.«
    »Aber du weißt natürlich, wie man hinkommt?«
    »Warum natürlich? Ja, ich glaube, ich weiß, wo das ist.«
    »Auto oder zu Fuß?«
    »Vergiss das Auto in Perugia, der Park liegt ungefähr zehn Minuten von hier. Heute Abend läuft in der Reihe Os car für den besten ausländischen Film ›Das Leben der An deren‹.«
    »Dann los!«, sagte Georg, doch er rührte sich nicht, sondern schaute nachdenklich von Helga zu Emil und wieder zurück.
    »Du überlegst, ob du sie hier alleine lassen kannst?«
    »Ich schreibe ihnen einen Zettel und nehme das Handy mit.«
    »Dann ziehe ich mir schnell etwas Richtiges an, und wir treffen uns in der Lobby.« Georg schaute auf die weißen Hotelpuschen an Evas Füßen und grinste. »Okay, bis

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