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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Gefühl, als ob ihr dunkel schimmernder Panzer, den sie sich zugelegt hatte, innerhalb von Sekunden feine Risse bekam. Hatte er Milena nur von ihrem Thron runtergeholt, auf den er sie die letzten Jahre gesetzt hatte, oder sah er sie, Eva, plötzlich, wie sie wirklich war? Hatte er sie verstanden, erkannt?
    »Ich hätte dich nehmen sollen, Eva!«
    Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn.

 
    15
    Als Eva schließlich in ihrem Königinnenbett lag, konnte sie nicht schlafen. Der wahnsinnig lange Kuss, ihre Tränen, ihre verliebte Stammelei auf dem Nachhauseweg und sein »Ich hätte dich nehmen sollen, Eva!« gingen ihr wieder und wieder durch den Kopf und verursachten ein süßes und gleichzeitig beunruhigendes Gefühl in ihrem Bauch.
    Sie hatte ihm alles erzählt, hatte ihm endlich die letzten elf Jahre erklären können. Sie hatte ihm sogar ihre Hoffnung gestanden, die damals in ihr aufkeimte, die lächerliche Hoffnung, mit ihm zusammen sein zu können. »Wir haben uns so toll ergänzt, hast du das nicht auch gefühlt!? Als wir in dieser Nacht auf Sperrmüllsuche waren und danach Wein bei dir in der Wohnung getrunken haben, oder zwei Tage später, das lustige Sofa-Aufbauen bei mir, ein Stockwerk tiefer. Ich habe auf die Geräusche gelauscht, die deine Schritte und dein Schlüssel im Hausflur machten, wenn du frühmorgens zu deinem Requisitenjob aufgebrochen bist oder spätabends davon zurückkehrtest und an meiner Tür vorbeigingst.« Keine Antwort, nur ein weiterer Kuss, der in diesem Moment die vergangenen Jahre aufwog. »Du hast dir deine Enttäuschung nie anmerken lassen! Wo hast du das all die Jahre nur hingepackt? Das muss ja unerträglich gewesen sein!« Er hatte sie vor ihre Tür gebracht, der dicke Hotelteppich schluckte jedes Geräusch. Dort vor dem Hotelzimmer hatte er sie lange umarmt, richtig fest an sich gepresst und noch einmal geküsst, aber keine Anstalten gemacht, mit in ihr Zimmer zu kommen. Er sei zu betrunken für irgendwelche Akrobatik und müsse sowieso schnell zu Emil, hatte er behauptet.
    Sie hatte seine Frage nicht beantwortet, doch jetzt wühlte sie sich durch ihren Körper wie ein unerschütterlicher Bohrkopf und stieß dort auf ein schmerzhaftes Vakuum. Ja, wo hatte sie das hingepackt? In ihre Eifersucht auf Milena und deren kleine Familie, die sie blitzschnell wie von Zauberhand neben sich hatte wachsen und erblühen lassen, um Vater, Mutter, Kind zu spielen?
    Milena besaß auf einmal alles, ohne Einbußen: Der Trullo in Apulien wurde vom einstigen Refugium nach stressigen Drehs zum Ferienhäuschen für die Familie mit Babybett, Buggy, Bobby Car. Die Arbeit machte Georg und sah dabei noch cool und glücklich aus, Milena brachte von den Drehs in Rom, Málaga oder Berlin wunderschöne Kinderklamotten mit und verfolgte ihre Karriere. Hinzu kam, dass die beiden anscheinend noch dauernd Sex hatten, obwohl andere Leute mit kleinen Kindern doch berichteten, dass das eigentlich unmöglich sei.
    War diese Enttäuschung in ihre schuldbewusste, linkische Liebe für Emil einzementiert? Schuldbewusst, weil sie ihn, wenn Milena nicht da war, bemuttern wollte und es doch nicht richtig hinbekam. Er veränderte sich so rasant, sie sah ihn zwei, drei Wochen nicht, und schon hatte er wieder etwas Neues gelernt. Sie war unsicher in seiner Gegenwart, benahm sich seltsam. Sie war eben keine Mutter! Und nach Milenas Tod ging sowieso nichts mehr. DU. NAIN.
    Ihr Inneres war leer in diesen Jahren, die Georg als die glücklichsten seines Lebens bezeichnete. Es wurde nur zusammengehalten von einem Korsett aus Disziplin, viel Arbeit, dem distanzierten Anhimmeln des Mannes, der nicht sie, sondern ihre Schwester gewählt hatte, und einer unbedeutenden Beziehung, aus der sie jederzeit für Georg den Absprung gewagt hätte.
    Hartmuth war Lehrer, sah leider kein bisschen aus wie Har rison Ford und hatte stapelweise Sachbücher in Evas Wohnung geschleppt. Eva hatte Platz in ihrem Bücherregal geschaffen, Hartmuths drei schlimmste Sakkos entsorgt und sich irgendwie an ihn gewöhnt, wie an einen gemütlichen, aber nicht sehr hübschen Bademantel. Wenn man nach dem Duschen fror, war man glücklich, in ihn hineinschlüpfen zu können, egal, wie er aussah. Nach vier Jahren, kurz vor Mile nas Tod, hatte er das Sachbuchregal eines Tages wieder leer ge räumt und sich von ihr getrennt. Sie war erleichtert gewesen.
    In was für ein erbärmliches Liebesleben bin ich da hineingerutscht, so unschlüssig, so unehrlich,

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