Orangenmond
nie vergessen würde.«
Auf der Treppe irgendwo in Perugias Innenstadt fiel kein Wort mehr. Was war mit ihnen, den Übriggebliebenen? Konnte er sich vorstellen, mit ihr zusammen zu sein? Eva suchte nach dem ersten Wort, dem ersten Satz, um Georg zu fragen, da sprach er plötzlich weiter: »Wenn ich das mit der Unfruchtbarkeit nicht herausgefunden hätte, würde ich jetzt vielleicht behaupten, es wäre alles gut so, wie es gekommen ist«, sagte er mehr zu sich als zu Eva. »Wir hatten neun Monate und fünf glückliche Jahre zusammen. Fast sechs Jahre echte Liebe bekommen und gegeben, wer kann das schon von sich sagen, dachte ich immer, sei dankbar dafür! Damit habe ich mich getröstet.«
Georg beugte sich zu Eva hinüber und blieb mit seinem Mund ganz nahe an ihrem. Ich werde ihn nicht küssen, dachte sie. Im selben Moment nahm er den Kopf ein Stück zurück.
»Heute denke ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe nicht richtig hingeschaut! Wer war diese Frau da in deiner Küche neben dem Kühlschrank, die sich mir vorgestellt hat?«
Eva horchte auf, dass er über die Episode am Kühlschrank redete, war neu.
›Ich bin Milena‹, sagte sie. ›Ich weiß‹, antwortete ich. Natürlich kannte ich sie aus Filmen und der Presse. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. ›Evas Schwester‹, setzte sie noch hinzu. Ich war überrascht: Die Promi-Milena war deine Schwester?! Du hattest sie vorher mit keinem Wort erwähnt. Ihre Nähe nahm mir die Luft zum Atmen, aus ihren Augen sprühten Unberechenbarkeit und Übermut, und gleichzeitig sah es aus, als würden sie ein großes Geheimnis verbergen. Eine Frau wie sie fuhr auf mich ab, was Besseres konnte meinem kleinen oberflächlichen Ego gar nicht passieren. War da nur aus diesem Grund diese gewaltige Anziehungskraft, habe ich sie nur als Spiegel für meine eigene Eitelkeit benutzt? Aber wie war sie, was hatte sie erlebt, mit welcher Art von Männern ist sie vor mir zusammen gewesen? Ich habe sie kaum danach gefragt.« Er schaute Eva tief in die Augen. »Wäre ich bei dir nicht viel besser, viel wahrhaftiger angekommen in meinem Leben?«
Ja, dachte Eva, bei mir, nur bei mir. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter, ganz nah an seinen Hals, und atmete seinen Geruch ein. Und dann waren seine Lippen auf den ihren, und er küsste sie.
»Weißt du, Eva, ich fühle mich so wohl bei dir, weil du keine Geheimnisse hast und weil du mich so nimmst, wie ich bin«, sagte er, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten. »Das ist mir schon früher aufgefallen, als wir uns kennenlernten. Ich habe meine Freiheit und freue mich, wenn ich mit dir zusammen bin. Wir können so gut miteinander reden, ist das nicht die … ideale Beziehung? Eine Traumbeziehung?«
Eva nickte, er war ziemlich betrunken. Keine Geheimnisse? Woher wusste er das? Klar, wollte sie sagen, solange es nach dir geht, ist das alles ganz traumhaft, doch da redete er schon weiter.
»Ich habe dir nie von dem Brief erzählt, den ich dir geschrieben habe. Aus Scham über mein Verhalten!«
Scham, dachte sie, was für ein seltsames Wort. »Einen Brief?!«
»Ja, kurz nachdem ich mit Milena zusammengekommen bin. Denn natürlich habe ich gemerkt, dass sich in den Wochen unseres Kennenlernens, damals, als du noch meine Nachbarin warst, etwas sehr Schönes zwischen uns angebahnt hat. Etwas Spannendes, sehr Langsames, wie ein Geschenk, bei dem man Lage für Lage auspackt und nicht wie sonst hektisch das Papier herunterreißt. Etwas hatte begonnen, wir haben es nur nie mehr angesprochen.«
»Stimmt. Davon war nämlich nichts mehr übrig, als du mit Milena aus Dänemark wieder zurück warst. Und weißt du, was das Schlimmste war?« Georg starrte auf seine Schuhe. Eva stieß ihn in die Rippen: »Ihr habt gar nicht so übertrieben rumgeturtelt, was einem bei anderen frisch verliebten Pärchen immer schrecklich auf die Nerven geht. Nein, am meisten weh tat es, dass ihr euch nach den paar Tagen bereits so selbstverständlich und unerschütterlich benommen habt wie Mann und Frau.«
Georg schwieg. Hatte er überhaupt zugehört, hatte er jemals zugehört, wenn sie ihm etwas erzählte?
»Ich habe den Brief nicht abgeschickt, weil ich es schlichtweg nicht konnte«, fuhr er fort. »Und jetzt schäme ich mich noch viel mehr. Ich habe dich ausgetauscht und vergessen, wegen einer Frau, die mir jahrelang vorspielt, das Kind von einem anderen wäre meins … Ich bin so ein Idiot!«
Eva öffnete den Mund, sie hatte das
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