Orangenmond
Jannis.
»Herrlich! Ich mag das, wenn du entscheidest«, kicherte Eva und stellte erstaunt fest, dass sie ihren Satz sogar ernst meinte. Jannis winkte ein Taxi heran und hielt ihr die Tür auf.
»Du musst durch das Schlüsselloch schauen!« Er zeigte auf die Menschenschlange, die trotz nächtlicher Stunde vor einer Mauer wartete, in die ein schweres Holztor eingelassen war. »Man sieht etwas ganz Besonderes von Rom, aber ich sage dir nicht, was.«
»Na gut!« Eva lachte und stellte sich ans Ende der Schlange, die Menschen um sie herum störten sie plötzlich überhaupt nicht mehr. Sie fand Rom einfach wunderbar, die warme Luft und den Duft nach Jasmin darin, sie war auf einmal so glücklich und etwas beschwipster, als sie angenommen hatte. Als sie an der Reihe waren, presste Eva ihr Auge an das Loch in der massiven Tür.
»Das ist ja toll!«, entfuhr es ihr. Winzig klein, doch scharf und klar wie unter einer Lupe, lag die angeleuchtete Kuppel des Petersdoms vor ihr. Nach vier Sekunden machte sie Platz für die Wartenden hinter ihr.
»Und jetzt weiter zum Orangengarten nebenan«, sagte Jannis. »Wir haben die settimana bianca in Rom. Da sind viele Parks und Museen auch nachts geöffnet.«
Die Tore standen offen, sie gingen über die breiten Kies wege, vorbei an zwei uniformierten Wärtern, der Statue eines händeringenden Engels und mehreren Orangenbäumen, bis zu der Mauer, die den Garten begrenzte.
»Wenn man an den knutschenden Pärchen vorbeischauen könnte, hätte man einen herrlichen Blick über die Stadt«, sagte Jannis, »komm, wir drängeln uns dazwischen!«
Sie stellte sich an die Mauer, Jannis war hinter ihr, lehnte sich ganz leicht an sie, schob ihr Haar beiseite und küsste sie in den Nacken. Eva zog die Schultern hoch und fühlte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief. Eine Weile schauten sie hinab auf den schlammig dahinfließenden Tiber und die Lichter der Stadt, bevor sie langsam zurückgingen.
Vor zwei großen Orangenbäumen setzte Jannis sich plötz lich auf eine frei gewordene Bank und zog Eva auf seinen linken Oberschenkel. »Wollen wir nicht weitergehen?«, fragte sie und machte Anstalten, sich wieder zu erheben.
»Nein, ich will dich küssen!«, protestierte Jannis. »Das war so schön eben vor dem Pompadour.«
Sie lächelte und legte ihre Arme auf seine Schultern, seine Hände waren auf ihrem Hinterkopf, lagen ganz leicht einfach nur da, dann schoben sie ihren Kopf nach vorn, und er küsste sie. Woher nahm er diese Sicherheit? Sie seufzte unhörbar. Ich sitze knutschend in einem Orangengarten und fühle mich so wohl wie lange nicht, denn er küsst wie vor zehn Jahren: immer noch verdammt gut! Und ich küsse auch verdammt gut, weil er mich dazu bringt.
»Setz dich auf mich!«, flüsterte Jannis in ihr Ohr und zog sie noch näher an sich. Sie blieb, wo sie war.
»Warum denn nicht? Ich will dich richtig spüren. So sehr!«
»Was ist mit denen?« Eva zeigte mit dem Kopf auf die miteinander verschmolzenen Paare, die dicht an dicht auf der Mauer hinter ihnen hockten.
»Die sind mit was anderem beschäftigt, die sitzen genau so, wie wir sitzen könnten, wenn Madamchen sich nicht so zieren würde!«
»Kein Wunder, dass hier normalerweise nachts nicht geöffnet ist. Ohne die Wärter würden alle sofort hemmungslos übereinander herfallen!«, sagte Eva kopfschüttelnd.
»Ich über dich auf jeden Fall!«, raunte Jannis mit heiserer Stimme in ihr Ohr. Sie setzte sich auf seinen Schoß wie ein kleines Kind, die Beine hinter seinem Rücken verknotet. Seine langen Arme hielten sie fest, sein Gesicht lag zwischen ihren Brüsten. Er schnupperte an ihr, sog ihren Geruch tief ein. Eva musste sich zusammenreißen, um nicht irgendwelche eindeutigen Geräusche von sich zu geben. Schon als Jannis vom Roller gestiegen war, hatte sich ein sehr eindeutiges Bild vor ihre Augen geschoben: sein nackter Oberkörper, sein fester Hintern, die langen Beine und natürlich der männliche Rest, den sie an der Außendusche gesehen hatte, allerdings in anderem Zustand.
»Wenn wir jetzt woanders wären, würdest du mit mir…?«, versuchte er es noch mal. Eva nahm seinen Kopf von ihren Brüsten und lächelte.
»Natürlich!«
»Du machst mich fertig, aber bleib so!« Er schlang seine Arme noch fester um sie.
»Jetzt sollten wir lieber damit aufhören …«
»Kannst du mit diesen Schuhen noch laufen?«, fragte er, als sie den Hügel wieder hinuntergingen.
»Ja, die sind erstaunlich bequem, obwohl sie
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