Orangenmond
bisschen ähnlich sehen.«
Eva kippte den letzten Schluck Likör hinunter und ließ die Eiswürfel dann klimpernd ins Glas zurückrutschen.
»Für mich keinen Märchenprinzen bitte«, seufzte sie in ihr leeres Glas. »Ich nehme nur noch echte Männer.« Sie zahlte für beide und drehte sich zu Jannis um, der vor dem Regal mit den Weinflaschen stand.
»Und ich nehme noch eine Flasche Rotwein! Dann zeige ich dir die älteste, protzigste Papstkathedrale, die es in Rom gibt.«
Am Fuße der riesigen Kirche blieben sie stehen. Über den fünf schnörkellosen Bögen und Säulen der griechisch anmutenden Hauptfassade winkten fünfzehn Statuen gnädig vom Dach auf sie herab. Der abfallende Platz davor wurde von vielen Laternen erhellt.
»Basilica di San Giovanni in Laterano. Ich habe die Touris nach Hause geschickt, damit du dir alles in Ruhe anschauen kannst! Zu viel versprochen?«
»Nein«, sagte Eva, »es ist fantastisch!«
»Hier, darauf trinken wir!«
»Wie die Penner«, lachte sie, nahm einen Schluck und gab die Flasche an Jannis zurück.
»Die wären froh, so etwas Gutes zu bekommen.«
»Für die paar Tage, die du erst hier bist, kennst du dich aber gut aus!«
»Ich hatte eine private Sightseeingtour, Daria wohnt gleich um die Ecke.«
»Aha, eine Frau!« Eva war nicht die Spur eifersüchtig, ein völlig unbekanntes Gefühl. Umso mehr Spaß machte es, ihrer Stimme diesen gewissen Klang zu geben, so zu tun, als ob.
»Eine Kollegin aus der Abteilung, total nett.«
»Und, läuft da was?«
»Sie ist ein kleines Mädchen mit drei Kilo Piercings im Gesicht, da stehe ich nicht drauf.«
»Ich weiß, du stehst auf große Mädchen.«
»Ich würde sie als Frauen bezeichnen. Frauen, die wissen, was sie wollen.«
»Sind das die, die den ersten Mann nach einer Übergangsbeziehung mit dir heiraten?«
»Du Biest, du merkst dir alles, ich werde dir nichts mehr erzählen!« Eva grinste. Mit Jannis war alles unbeschwert, locker und, obwohl sie sich kaum kannten, doch gleichzeitig auch vertraut. Sie fühlte sich leicht mit ihm, wie nie zuvor mit einem Mann. Und er war absolut nicht die Trostnummer, die sie nach Milenas Heirat mit dem lahmen Hartmuth eingegangen war.
Eva trank wieder von dem Chianti. Ein runder Abschluss nach dem Weißwein, dem Champagner und dem Ramazzotti, dachte sie. Und dieses Zeug steigt ziemlich in den Kopf. Sie wollte Jannis etwas Liebes sagen, er war so dolce , und seine Küsse schmeckten viel besser als der Rotwein. Sie warf einen abschließenden Blick auf den gigantischen Platz vor der Kathedrale, bevor sie Jannis folgte. Sie liefen auf eine Reihe gigantischer Torbögen zu, die sich weit über die Straße spannten.
»Du bist auf jeden Fall keine Trostnummer, das lass dir aber mal gesagt sein«, rief Eva und umarmte ihn von hinten. Es schwappte gefährlich in der Flasche.
»Ich bin keine was?!«
»Ach nichts. Vergiss es.«
»Sag doch. Was für eine Nummer? Wenn du dich auf Deutsch nicht traust, dann auf Ita lienisch!« Er nahm ihre Hand und schlenkerte sie spielerisch herum.
»Wieso kannst du eigentlich nach diesen paar Tagen schon so gut Italienisch? Du sprichst Ungarisch, Englisch, Deutsch, Französisch, hat Georg gesagt. Oder ist das gelogen?«
»Geschickt abgelenkt, Madamchen! Ungarisch spreche ich wegen meiner Mutter. Was meinst du, warum ich bei Tibor arbeiten darf? Sie kommt aus Táborfalva, einem Dorf gleich neben seinem, nördlich von Budapest.«
Er sprach es Budapescht aus. Eva wusste, dass sie das ab jetzt auch tun würde. Und dabei wirst du immer mit leichter Wehmut an diese Nacht in Rom denken, ging ihr durch den Kopf.
»Lass uns hier noch ein Stück hinuntergehen, kannst du noch? Ich habe eine Idee …« Jannis umfasste ihre Taille. Eva nickte. Sie konnte noch, und sie wollte noch, sie wollte die ganze Nacht neben ihm herlaufen und Wein trinken.
»Eigentlich heiße ich ja János, das wurde dann zu Jani, und in Deutschland zu Jannis.«
»János! Jani!«, wiederholte Eva entzückt.
»Ja, lach ruhig über mich! Wie auch immer: Die Ungarn lieben sich und sind sehr solidarisch miteinander, umso mehr, wenn sie sich im Ausland treffen. Mein Vater ist Deutscher und hat von Anfang an ausschließlich Deutsch mit mir gesprochen. Geboren bin ich aber in Brüssel, dort bin ich auch in die école maternelle und in die erste Grundschulklasse gegangen. Danach haben wir einige Jahre in Dublin gewohnt. Das Italienische kommt mir einfach vor; das, was ich so zum Überleben brauche, kann
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