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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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einen Schritt auf ihn zu. Jetzt stand sie direkt vor ihm, Dareks und ihre Schulter berührten sich fast, die Augen der beiden waren auf gleicher Höhe. Er erwartete, dass sie ihn schubsen, schlagen oder ihn zumindest rütteln würde. Aber sie tat nichts, stand nur da und musterte ihn zornig.
    Â»Als Kind habe ich gerne Indianer gespielt«, sagte sie nach einer Weile. Ihr Atem hatte sich inzwischen beruhigt, sie sprach mit Nachdruck, aber genauso leise wie Darek. Das, was sie ihm mitteilen wollte, war nur für seine Ohren bestimmt. »Ich habe mit Pfeil und Bogen geschossen, mir ein Paar Mokassins genäht, ich habe die Spuren der Tiere lesen gelernt. Eine Sache habe ich allerdings nie probiert.«
    Â»Welche?«, fragte Darek gegen seinen Willen. Es interessierte ihn wirklich.
    Â»Jemanden zu skalpieren«, antwortete sie und lächelte plötzlich so breit, dass ihre Wangen Grübchen bekamen. »An dir probier ich’s mal aus.«
    ***
    Meine Mutter. Ich sehe sie aus der Wurmperspektive, ich bin vier. Sie hängt Wäsche auf. Ihr Haar ist mit einem blauen Bändchen zu einem hohen Zopf zusammengebunden und trotzdem wallt es ihr bis auf den Rücken hinunter, so lang ist es.
    Â»Sie wird Ema heißen«, sagt sie und berührt mit den Händen ihren runden Bauch. »Ema Lyskova, das klingt gut, oder?«
    Â»Ema Lyskova«, wiederhole ich und beobachte den Bauch. Sie ist da drin, meine Schwester.
    Â»Fass sie mal an«, ermuntert mich Mutter.
    Ich gehe zu ihr und lege meine beiden Handflächen auf den geblümten Stoff ihres Kleides.
    Â»Was macht sie gerade?«, frage ich.
    Â»Sie schaut dich an. Wenn du dich bemühst, kannst du sie auch sehen.«
    Ich nähere mich mit meinem Gesicht Mutters Bauch – so nah dran, wie es nur geht. Ich reiße die Augen auf. Die Blumen auf dem Kleid werden unscharf, sie haben keine feste Form mehr, sie sind zum bunten Nebel geworden. Ich sehe mir Ema Lyskova an.
    Â»Ema, komm raus!«, fordere ich sie auf.
    Mutter lacht. »Wir müssen ihr noch Zeit geben«, erklärt sie. »Eine Menge Zeit, um sich zusammenzubasteln. Sie ist noch nicht vollendet.«
    Â»Wie, vollendet?«
    Â»Sie arbeitet immer noch daran, alles beieinanderzuhaben, wenn sie geboren wird. Sie will gesund, schön und gescheit werden. Damit wir uns an ihr freuen.«
    In einem starken Gefühlsausbruch umschlinge ich Mutters Bauch. Ich halte Ema Lyskova fest in meinen Armen und spüre, wie sie sich zusammenbastelt. Wenn sie vollendet ist, kommt sie heraus und alle werden mich ihretwegen beneiden.
    ***
    Das Schnurren des silbernen Wagens verklang langsam in der Ferne, als der Vater in die Küche kam. Darek blickte schnell auf, um sein Gesicht zu sehen, hauptsächlich den Mund. An dem konnte er ablesen, in welchem Zustand sich sein Vater befand. Herabhängende Mundwinkel und ein schlaffes Kinn verrieten immer, dass er angetrunken war. Heute war das Kinn energisch vorgestreckt und die Lippen lächelten. Er war frisch rasiert und hatte ein weißes Hemd an, das er immer trug, wenn er in die Stadt fuhr.
    Â»Guten Appetit!«, wünschte er.
    Â»A-lle es-sen mit!«, erwiderte Ema. Sie trennte die einzelnen Silben voneinander, wie sie es sich bereits im Kindergarten angewöhnt hatte. Darek fiel ein, dass sie auf diese kindische Weise noch in zwanzig Jahren antworten würde. Er selber beschränkte sich auf ein Kopfnicken. Dabei überlegte er, ob er gleich nach dem unbekannten Besucher fragen sollte oder lieber damit wartete, bis sie aufgegessen hatten.
    Â»Was gibt es heute Leckeres?« Der Vater nahm sich einen Teller und trat an den Herd.
    Â»Das letzte Wort kannst du weglassen«, murmelte Darek.
    Der Vater tauchte den Schöpflöffel in denTopf mit der Soße, kostete sie und schmatzte anerkennend.
    Â»Der Soße fehlt nichts.«
    Seine heitere Stimme löste bei Darek Entrüstung aus. Er ließ sein Besteck so laut auf den Teller fallen, dass Ema zusammenfuhr.
    Â»Mama machte die Tomatensoße ganz anders«, verkündete er.
    Â»Wie denn?«, fragte der Vater und setzte sich ihm gegenüber.
    Â»Hundertmal besser.«
    Der Vater schnitt ein Stück Fleisch ab. Er beförderte es in den Mund, zerkaute es sorgfältig und schluckte es mit einer zufriedenen Miene hinunter. Als ob er Mutters Kochkunst ganz vergessen hätte.
    Â»Sogar ich kann so eine Pampe zustande bringen!«, schrie Darek auf

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