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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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bestimmt nicht. Auch wenn er log, versuchte er auf dem Boden der Wahrscheinlichkeiten zu bleiben. Unwahrscheinliche Ereignisse musste er sich nicht ausdenken, die trafen von alleine ein.
    Â»Bronze.«
    Â»Sie wollten Waliserin auch kaufen, stimmt’s? Aber Papa hat ihnen gesagt … Was hat er ihnen gesagt?«
    Ema hing an seinen Lippen. Diesen Teil der Erzählung hörte sie besonders gern.
    Â»Papa hat gesagt …« Darek machte eine wirkungsvolle Pause und dann ahmte er Vater nach: »Seid ihr verrückt geworden? Um nichts auf der Welt!«
    Â»Um nichts auf der Welt«, wiederholte Ema glücklich. Mit beiden Armen hielt sie Waliserins Kopf und drückte ihr einen Kuss auf die Nase. »Weil du weiß bist und von allen die Liebste!«
    Die Stute ließ Emas Zärtlichkeiten ohne Widerstand über sich ergehen. Der halb herunterhängenden Unterlippe und den entspannten Ohren nach zu urteilen, fand sie die sogar angenehm.
    Â»Waliserin verkaufen wir an niemanden, stimmt’s?«
    Â»Stimmt.« Darek tätschelte die Stute am Hals, rückte die Decke auf ihrem Rücken zurecht und schnallte die Longe am Nasenriemen fest. »Also, steig auf!«
    Ema stieg auf die Bank, hielt sich an Waliserins Mähne fest und mit einem kleinen Sprung war sie oben. Alle Bewegungen führte sie sicher aus, ohne Angst und längst nicht mehr so tollpatschig wie vor einem halben Jahr. Darek half ihr, das Bein auf die andere Seite zu schwingen.
    Â»Zuerst du, dann ich«, erinnerte er sie an die verabredeten Regeln. »Kein Verhandeln, dass du dann noch ein bisschen länger willst und dann noch ein bisschen länger, klar?«
    Â»Kla-haar«, flüsterte Ema abwesend. Sie saß aufrecht, die Wirbelsäule locker, die Unterschenkel an Waliserins Seiten gelegt. Ihr Gesicht hatte diesen seligen Ausdruck, den es nur bekam, wenn Ema ritt. Darek verlängerte die Longe, schnalzte und die Stute setzte sich in Bewegung. Sie lief auf der Koppel, wo der Septemberregen längst die Hufabdrücke der anderen Pferde ausgespült hatte.
    Â»Schneller?«
    Ema nickte.
    Â»Dann halt dich aber gut fest!« Darek gab ein Zeichen und Waliserin ging in leichten Trab über. Die Stute trug den Hals hoch, der Schweif wehte hinter ihr her und die Kruppe bewegte sich energisch. Sie machte einen fröhlichen, vitalen Eindruck. Nicht nur, dass sie weiß war und auch die Verlässlichste der ganzen Herde. Vaters Entscheidung war bestimmt auch von der Tatsache beeinflusst gewesen, dass Waliserin perfekt ausbalanciert lief und einen breit gebauten Rücken hatte, auf dem Ema ohne Risiko wippen und verträumt ihre Murmelgedichte brummen konnte.
    Darek drehte sich im Zentrum des Longezirkels, sein Blick folgte den Bewegungen der Stute und allmählich … verwandelte sich ihre weiße Gestalt in eine dunkelbraune.
    Wir haben uns eine Weile nicht gesehen, mein Freund, aber ich bin wieder hier, hörte er Krokants freudiges Wiehern. Für dich springe ich locker über den Bach! Oder über den Zaun! Oder, wenn du es willst, sogar über die Scheune! Damit du siehst, dass ich ein Ass bin!
    Der vertraute Schmerz im Magen meldete sich, seine Nase begann zu beißen und hinter den Augen drückte es. Darek blinzelte schnell, um den Tränen Einhalt zu gebieten. Es gelang ihm auch – leichter als gestern und viel leichter als noch vor einem Monat. Morgen würde er das noch besser schaffen. So wie er es jeden Tag besser schaffte, dem Vater nicht auszuweichen und wenigstens einsilbig seine Fragen zu beantworten, mit gesenktem Blick. Wer weiß, eines Tages würde er vielleicht wieder dazu imstande sein, ihm in die Augen zu schauen. Irgendwann würden sie möglicherweise wieder normal miteinander reden. Herr Havlik hatte wie gewöhnlich recht – die Zeit wirkte Wunder. In jeder Hinsicht.
    Â»Ah, schau mal, du hast das erste Barthaar bekommen!«, hatte Hanka begeistert ausgerufen, als sie mit Darek auf dem flachen Stein am Bachufer lag, weit hinter dem Dorf, weit weg von allen. »Du musst darauf aufpassen.«
    Â»Wieso?«
    Â»Kennst du denn diesen Brauch nicht? Wenn ein Mann sein erstes Barthaar nicht verliert, wenn er es hegt und sein Leben lang darauf aufpasst, dann bleibt in ihm ewig das Herz eines Kindes.«
    Â»Das Herz eines Kindes? Was ist das für ein Quatsch! Dass es schneller pumpt? Weniger wiegt?«
    Â»Die Träume bleiben

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