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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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sich vor, um ihn besser zu verstehen. »In Changi habe ich nur Briefe von meiner Mutter erhalten, nicht von meiner Frau.«
    Sebastian runzelte die Stirn. »Olivia hat dir bestimmt geschrieben. Aber die Zensur war sehr streng.«
    »Meinst du? Bin ich …? Meine Mutter hat nichts von dem Kind erwähnt. Olivia war schwanger, als ich in den Krieg gezogen bin. Weißt du etwas darüber?«

    Sebastian suchte nach geeigneten Worten.
    »Tut mir leid, alter Junge«, sagte er schließlich mit rauer Stimme. »Sie hatte eine Fehlgeburt. Aber jetzt hindert dich ja nichts mehr daran, nach Hause zu fahren, eine ganze Horde Kinder zu zeugen und sie aufwachsen zu sehen.«
    Harry schloss kurz die Augen, um die Nachricht zu verarbeiten. Die Vorstellung, überhaupt nach Wharton Park zurückzukehren, war ihm sehr fremd.
    »Wo du gerade erst von den Toten auferstanden bist, solltest du dir nicht den Kopf darüber zerbrechen, was hätte sein können«, versuchte Sebastian, ihn zu trösten. »Sobald es dir besser geht, hole ich dich hier raus. Also werd so schnell wie möglich wieder gesund. Dann zeige ich dir, dass das Leben auch seine schönen Seiten hat, besonders hier in Bangkok. «
    »Ich tue mein Bestes, Sebastian, das verspreche ich dir.«
    »So ist’s recht, alter Junge«, sagte Sebastian und erhob sich. »Ich schaue morgen so gegen elf wieder bei dir vorbei. Und ich schicke ein Telegramm nach Wharton Park, um sie zu informieren, dass du auf dem Weg der Besserung bist.«
    »Danke.«
    Sebastian nickte und machte sich auf den Weg zur Tür. »Werd wieder gesund, ja?«
    Harry erwiderte sein Nicken und bedachte Sebastian mit einem matten Lächeln, bevor dieser hinausging. Dann lehnte er sich, enttäuscht darüber, dass er kein Gefühl der Euphorie empfand, zurück. Wahrscheinlich, dachte er, war er einfach zu müde und musste sich von seiner Krankheit erholen.
    Keiner in Changi hatte je überlegt, wie es wäre, tatsächlich wieder frei zu sein. Unterhalten hatte man sich dort ausschließlich über zu Hause, die Familie und das Essen, weil das Hoffnung gab. Wer die nicht besaß, resignierte und hängte
sich an dem auf, was sich zusammenbinden ließ: an Socken, Resten von Schnürsenkeln oder Hemdfetzen.
    Einen Augenblick lang sehnte Harry sich nach der Vertrautheit von Changi, nach der Routine, dem geteilten Leid, den gemeinsamen Träumen und dem Verständnis für die allgemeine Not.
    Würde diese Erfahrung ihn für immer zeichnen? Würde er je in ein normales Leben zurückkehren können?
    Harry döste mit der Hoffnung ein, in positiverer Stimmung zu erwachen.
     
    Eine Woche später durfte Harry das Krankenhaus verlassen. Sebastian holte ihn mit seinem Rolls-Royce ab, einem Wagen, den sein Vater zwanzig Jahre zuvor nach Bangkok verschifft hatte.
    Auf der Schwelle des Hospitals freute Harry sich kurz über das Gefühl, etwas hinter sich lassen zu können. Es war das erste Mal seit dreieinhalb Jahren, dass er das bewusst tat.
    Sebastians thailändischer Chauffeur hielt Harry die Tür auf und half ihm, auf den Rücksitz zu klettern. Sebastian setzte sich neben ihn. Sie fuhren durch das Gewimmel auf den Straßen, wo der Chauffeur Rikschas, Ochsen und Elefanten anhupte, die einen Verkehrsstau verursachten.
    Zum ersten Mal, seitdem sein Bataillon von der Duchess of Athol marschiert war, dem Schiff, das die 5th Royal Norfolk’s nach Singapur gebracht hatte, konnte Harry das exotische Leben eher mit Interesse als mit Angst beobachten.
    »Am besten sieht man die Stadt vom Boot aus, auf den schmalen Kanälen, die man hier klongs nennt«, erklärte Sebastian. »Die Menschen leben in auf Stelzen in den Fluss gebauten Häusern. Sehr malerisch. Vielleicht mieten wir uns, bevor du nach England zurückkehrst, ein Boot, dann zeige ich
sie dir. Es gibt auch ein paar prächtige Tempel. Da wären wir. Giselle erwartet uns schon.« Sebastian wandte sich Harry zu. »Harry, alter Junge, willkommen im Oriental Hotel.«
    Harry nahm kaum etwas wahr, als er durchs Foyer geführt wurde und Sebastian sich mit Giselle, der Besitzerin des Hotels, unterhielt. Harry fühlte sich von all den Reizen überfordert und hatte die Fahrt durch die geschäftigen Straßen als klaustrophobisch empfunden. Während ein thailändischer Gepäckträger, der keine Koffer tragen musste, weil Harry nichts besaß, auf dem Flur vor ihm herging, fragte Harry sich, ob er den Rest seines Lebens unter Klaustrophobie leiden würde.
    Lebhaft vor Augen hatte er noch die Zeit in der

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