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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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was zu essen zugesteckt habt.«
    »Sie waren ja immer viel zu dünn. Übrigens beide«, fügte sie hinzu.
    »Trotzdem ist noch was aus uns geworden«, sagte Kit und legte einen Arm um Julias Schulter. »Ein Gläschen Wein, Elsie? Ich gönne mir eines zur Feier des Tages; wir haben gewonnen, und ich bin Spieler des Tages.«
    Elsie nickte Julia anerkennend zu, als Kit die Flasche öffnete. »Hat sich zu einem ziemlich hübschen Kerlchen gemausert, was? Na so was.«
    Während Kit sich am Tisch mit Elsie über ihre Jahre in Wharton Park unterhielt, kochte Julia. Am Ende brachte sie eine Hühnchenkasserolle mit neuen Jersey-Kartoffeln auf den Tisch.
    »Julia, Julia«, sagte Elsie, »ich hätte nicht gedacht, dass aus dir mal eine gute Köchin wird. Es schmeckt köstlich.«

    »Julia besitzt viele verborgene Talente, Elsie«, erklärte Kit mit einem verschmitzten Augenzwinkern.
    Wenig später machte Julia Kaffee und schlug vor, in die Bibliothek zu gehen. Sobald Elsie in dem bequemen Sessel am Kamin saß, ließ Julia sich neben Kit auf dem Sofa gegenüber nieder.
    Elsie nippte an ihrem Kaffee und stellte die Tasse auf das Tischchen. »Ich habe lange überlegt, ob ich euch das alles erzählen soll. Aber unter den gegebenen Umständen …«
    »Was für ›Umstände‹?«, fragte Kit.
    »Geduld, junger Mann. Am Ende werden Sie es schon verstehen. « Elsie holte tief Luft. »Letztes Mal, Julia, sind wir doch so weit gekommen, dass Lord Harry und Lady Olivia sich miteinander versöhnt haben, bevor Harry in den Krieg gezogen ist, oder?«
    »Ja«, bestätigte Julia.
    »Dann erzähle ich jetzt Harrys Geschichte. Selbst wenn das Ende nicht in dem Tagebuch steht, das er geführt hat …«
    » Harry hat ein Tagebuch geführt?«, fragte Julia erstaunt.
    »Ja. Es war Harrys Tagebuch. Er hatte eine sehr schöne Schrift. Mein Bill konnte ja kaum unterschreiben. Aber bitte unterbrich mich jetzt nicht mehr, Liebes. Dein Großvater war im Krieg mit ihm in Malaya. Als Harry nach Hause kam, wurden Bill und ich auf eine Art und Weise in seine Geschichte hineingezogen, wie wir es nie für möglich gehalten hätten. Dieser Teil beginnt nach dem Ende des Krieges, als dein Großvater und Harry nach dreieinhalb langen Jahren aus dem Changi-Gefängnis befreit wurden …«

33
    Bangkok, 1945
     
    Als Harry aus seiner Ohnmacht erwachte, war er verwirrt über das ungewohnte Gefühl, lange ohne Störung geschlafen zu haben. Sonst musste er ständig die Lage wechseln, um den Hüftschmerz, den das Liegen auf der Pritsche verursachte, zu lindern. Auch erinnerte er sich nicht daran, die immerzu um ihn herumschwirrenden Moskitos verscheucht oder die juckenden Stellen an seinem Körper gekratzt zu haben.
    Und er spürte nicht den Schweiß, der üblicherweise beim Aufwachen an seinem Körper klebte. Ihm war angenehm kühl, doch vielleicht bildete er sich die leichte Brise, die sein Gesicht sanft zu berühren schien, nur ein.
    Kurzum: Er fühlte sich wohl, ein Gefühl, das er kaum noch kannte.
    Halluzinierte er? In den langen dreieinhalb Jahren seiner Gefangenschaft hatte er oft von Wharton Park und anderen seltsamen Dingen geträumt, zum Beispiel, dass sein Vater ihm eine Dose Sardinen gab, oder dass er ins kühle, klare Wasser des Springbrunnens in der Mitte des Gartens sprang, oder von Olivia, die ihm seinen Sohn entgegenstreckte …
    Meist drehten seine Träume sich um Essbares. Er und seine Leidensgenossen brachten viele schwüle Nächte damit zu, über die besten Rezepte ihrer Mütter zu reden. Das hielt sie davon ab, den Verstand zu verlieren, falls das überhaupt möglich war im Changi-Gefängnis.
    Viel war von ihnen allen nicht mehr übrig, weder körperlich noch seelisch, und Harry wachte jeden Morgen erstaunt darüber auf, dass er noch lebte.
    Er hielt die Augen geschlossen und gab sich ganz dem Genuss
hin, während er darüber nachdachte, wie sein Körper in dieser brutalen Hitze wunderbarerweise Belastungen getrotzt hatte, die schon für einen gesunden Mann in gemäßigtem Klima schwer zu ertragen gewesen wären.
    Viele seiner Mitgefangenen hatten es nicht geschafft: Über tausend waren auf dem Friedhof von Changi begraben; bisweilen beneidete er sie um ihre ewige Ruhe. Während der wiederkehrenden Anfälle von Denguefieber, das hier der grässlichen Schmerzen wegen, das es verursachte, »Knochenbrecherfieber« genannt wurde, hatte Harry jeden Moment erwartet, sich zu ihnen zu gesellen. Doch das Glück – vorausgesetzt, man konnte weitere Zeit an

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