Orchideenhaus
könnten uns auf eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung einigen, n’estce
pas ? Von Lidia und Monsieur Ainsley weiß ich, dass Sie sehr gut Klavier spielen. Morgen Abend wird hier im Hotel die Bar eröffnet. Und dafür brauche ich einen Pianisten. Wenn Sie für mich spielen, erlaube ich Lidia, Ihnen Bangkok zu zeigen.«
Harry reichte ihr erfreut die Hand. »Abgemacht.«
» C’est parfait , Hauptmann Crawford.« Sie schlug ein. »Ich habe einen Saxophonisten und einen Schlagzeuger, die sich morgen Abend um sechs in der Bar treffen.Vielleicht könnten Sie zur Probe zu ihnen stoßen. Wie Sie die Tour mit der jungen Dame gestalten, überlasse ich Ihnen.«
» Merci , Madame.«
Als Giselle wieder im Büro verschwand, blickte Harry zufrieden in Lidias bernsteinfarbene Augen und sagte: »Das wäre also geregelt. Und wohin wollen Sie mich führen?«
35
Der Eröffnung der Bamboo Bar wohnten zahlreiche Angehörige der Ausländergemeinde bei, die sich nach Jahren japanischer Herrschaft über diesen Anlass zum Feiern freuten. Sie kippten jede Menge des örtlichen Mekong-Whisky und gaben sich dem sanuk – thailändisch für »Spaß« – hin.
Da zu den Proben weniger als eine Stunde Zeit blieb, war Harry froh über die Übung, die ihm die Jazzabende für die Japaner in Changi verschafft hatten. Er spielte mit einem niederländischen Schlagzeuger, Exkriegsgefangener wie er, sowie einem russischen Saxophonisten, den es aus unbekannten Gründen nach Bangkok verschlagen hatte; gemeinsam gelang es ihnen, eine Liste von Stücken zusammenzustellen, die alle kannten.
In der schwülen, verrauchten Bar herrschte eine lebhafte Stimmung. Harry, der zum ersten Mal mit anderen Musikern zusammenarbeitete, fand großen Gefallen an der Kameradschaftlichkeit seiner Kollegen. Und der begeisterte Applaus für ein virtuoses Solo stimmte ihn fast euphorisch. Dazu kam die schöne Lidia, die in ihrem Seidensarong mit einem Tablett voller Getränke durch den Raum glitt.
Nachdem die drei Musiker die letzte Zugabe gespielt hatten, verließ Harry die Bar und ging über die Terrasse hinaus auf den Rasen am Fluss.
Aufgrund der Verdunkelung hatte der letzte Teil des Abends bei Kerzenlicht stattgefunden, und das einzig Helle war nun der Schein des Vollmonds über dem Fluss.
Harry zündete sich eine Zigarette an. An diesem Abend hatte er, wenn auch nur ein paar Stunden lang, das Gefühl gehabt dazuzugehören. Da spielte es keine Rolle, dass er ein Heimatloser unter Heimatlosen war, in einer durch unbekannte Tragödien bunt zusammengewürfelten Gruppe aus allen Weltgegenden. Hier war er kein Hauptmann der Armee, kein britischer Adliger und auch kein Erbe eines riesigen Gutes, sondern lediglich ein Pianist, dessen Können die Anwesenden unterhielt und erfreute.
Und er hatte einfach nur er selbst sein können.
Am folgenden Tag traf er sich wie vereinbart mit Lidia im Foyer.
Madame hatte einen Holzkahn inklusive Bootsmann für sie organisiert. Als Harry einstieg, fühlten sich seine Beine aufgrund der kurzen Nacht und der vier Whiskys, die er getrunken hatte, wackliger an als in den vergangenen Tagen.
»Hauptmann Crawford, ich glaube, wir sollten zuerst den Fluss hinauffahren, am Großen Tempel vorbei«, erklärte Lidia,
die auf der Holzbank ihm gegenüber saß. »Dann weiter zum schwimmenden Markt, okay?«
Wie merkwürdig, dieses amerikanische Wort aus ihrem Mund zu hören!
»Gut. Und bitte sagen Sie Harry zu mir.«
»Okay, Harry.«
Sie legten vom Hotelpier ab und ordneten sich in den Verkehr auf dem Fluss ein. Der Chao-Phraya diente als Durchgangsstraße für Bangkok. Harry staunte, dass sich nicht mehr Kollisionen ereigneten, denn die Bootsführer kamen ihren Kollegen bisweilen gefährlich nahe. Riesige schwarze Frachtkähne, manchmal vier oder fünf hintereinander, verbunden durch Seile und gezogen von einem winzigen Fahrzeug davor, tauchten am Horizont auf wie bedrohliche Wale. Nach einigen Beinahezusammenstößen sah Harry, dass seine Hände zitterten.
Lidia bemerkte seine Anspannung. »Keine Sorge, Harry. Sing-tu steuert dieses Boot schon dreißig Jahre und hatte noch nie Unfall, okay?«
Sie beugte sich vor und tätschelte ihm die Hand.
Lidia bedeutete diese sanfte Geste sicher nichts, dachte Harry, doch für einen Mann, der jahrelang keine Zuneigung erfahren hatte, handelte es sich um einen Schatz, den es im Herzen zu bewahren galt.
»Harry, schauen Sie.«
Er folgte ihrer ausgestreckten Hand mit dem Blick und
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