Orchideenhaus
den meisten Dingen fertig.«
»Okay, Harry, dann erzähle ich.« Lidia seufzte. »Meine Mutter, sie heiratet.«
»Ist das schlimm?«
Lidia traten Tränen in die Augen. »Ja. Weil… er japanischer General ist.«
»Verstehe.«
»Sie kennen sich von Besetzung hier. Sie erzählt mir nichts davon, weil sie meine Gefühle kennt. Jetzt ist er wieder in Japan und möchte, dass sie zu ihm kommt … mit uns allen.«
Harry schwieg einen Moment, bevor er nickte. »Sie haben recht. Das ist wirklich ein großes Problem.«
»Wie kann sie das tun?«, fragte Lidia mit leiser Stimme. »Sie ist … Verräterin!«, zischte sie. »Mein Vater stirbt, weil er Thailand von Japanern befreien will!«
»Er ist tot?«
»Sie stecken ihn vor einem Jahr in Gefängnis, als sie merken, dass er Untergrundzeitung veröffentlicht. Kurz vor Kriegsende, vor sechs Monaten, hören wir dann … dass sie ihn erschießen.«
Harry streckte unwillkürlich die Hand aus und legte sie auf die von Lidia. Sie fühlte sich sehr klein und zerbrechlich an. »Lidia, mein Beileid.«
Sie wischte sich unwirsch die Tränen aus dem Gesicht. »Danke. Das Schlimmste ist: Ich kann nicht glauben, dass meine Mutter je meinen Vater liebt.«
»Bestimmt hat sie ihn geliebt, Lidia«, versuchte Harry sie zu beschwichtigen. »Es gibt viele Gründe für die Handlungen von Menschen. Sie sagen, Sie sind mehrere Geschwister und haben wenig Geld. Ist dieser General reich?«
»Ja, sehr. Und mächtig. Er lebt in großem Haus in Japan. Meine Mutter ist wunderschön. Alle Männer verlieben sich in sie. Sie haben recht. Sie möchte, dass ihre Kinder neues, gutes Leben haben, besser als hier bei Witwe. So erklärt sie es mir. Sie sagt, sie liebt ihn nicht, muss aber das Richtige tun für Zukunft.«
»Und was werden Sie machen?«
»Sie möchte, dass ich mitkomme. Sie sagt, Japan ist nicht Feind, Besetzung friedlich und nur politische Abmachung.« Lidia schüttelte den Kopf. »Aber sie erschießen meinen Vater, weil sie Angst haben, dass er Ärger macht. Wie kann ich in dieses Land gehen?«
»Ich weiß es nicht, Lidia. Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«
»Siebzehn, in sechs Wochen achtzehn.«
»Dann dauert es nicht mehr lange, bis Sie erwachsen sind und selbst Entscheidungen treffen können. Müssen Sie denn gehen?«
»Harry, wenn ich es nicht tue, sehe ich vielleicht meine Mutter und meine Brüder und Schwestern nicht mehr.« Lidia begann, mit ihrem Glas zu spielen. »Ich habe Vater verloren. Ich will sie nicht auch verlieren.«
Harry schüttelte den Kopf. »Sie befinden sich in einer schwierigen Situation.« Er nahm einen Schluck Bier. »Doch Sie sind fast erwachsen, kein Kind mehr. Sie müssen an Ihr Leben denken und daran, was Sie wollen.«
»Meine Mutter sagt, ich muss nach Japan gehen. Ich darf ihr nicht widersprechen.«
»Lidia, das Leben dreht sich nicht ausschließlich um die Familie.«
Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten angriffslustig. »Harry, hier in Thailand ist Familie alles. Man muss seinen Eltern gehorchen.«
»Auch als Erwachsener?«
Lidia begann zu weinen. »Ja.«
»Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht aus der Fassung bringen. « Harry reichte ihr ein Taschentuch.
»Nein. Reden ist gut.« Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. »Madame sagt auch, ich soll nicht gehen. Dass ich gute Stelle in Hotel habe und noch weiterkomme.«
Harry war Giselle dankbar. »Vergessen Sie nicht, dieser Krieg hat die Regeln geändert, für alle; die Dinge sind nicht mehr, wie sie einmal waren. Sie müssen Ihrer Mutter vergeben. Sie tut nur, was sie für das Beste hält. Aber was sie für sich selbst und für Ihre Geschwister möchte, ist möglicherweise nicht das Richtige für Sie. Haben Sie sonst noch Verwandte in Thailand?«
»Ja. Die Familie meines Vaters, sie kommt von Insel, weit weg …« Plötzlich hellte sich Lidias Gesicht auf. »Sie ist sehr schön; ich bin als Kind oft dort. Sie heißt Elephant Island und liegt im Meer wie ein Juwel.«
»Sie wären also nicht allein in diesem Land?«
»Nein.«
»Und Sie hätten eine Möglichkeit, Geld zu verdienen.«
»Ja.« Sie sah ihn an. »Sie glauben, ich soll hierbleiben?«
»Nur Sie können diese Entscheidung treffen, Lidia. Falls Sie sich fürs Hierbleiben entscheiden, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Sie Ihre Mutter und Ihre Geschwister besuchen.«
»Es ist so weit weg, Harry, viele tausend Meilen, und so kalt.« Lidia bekam eine Gänsehaut. »Ich hasse Kälte.«
Harry fragte sich, was Lidia von
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