Orchideenhaus
tief Luft und wählte Kits Nummer.
Das Display seines Handys verriet Kit, dass es Julia war. Er ließ es klingeln, weil er es nicht über sich brachte, mit ihr zu sprechen. Er wusste, was sie sagen würde. Er hatte alles im Autoradio gehört.
Kit schaute hinaus auf den Park. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass Julia die Beziehung mit ihm nur begonnen hatte, weil sie glaubte, ihr Mann sei tot. Es konnte keinen Kampf um sie geben. Xavier war Julias Mann, sie seine Frau …
Kit schüttelte den Kopf. Er hätte ahnen müssen, dass alles zu perfekt war …
Zum ersten Mal seit Jahren hatte er einer Frau wirklich
sein Herz geschenkt und war mit wahrer Liebe belohnt worden.
»Wo werde ich das noch einmal finden?«, fragte er sich.
Er wusste, dass das nicht möglich war und ihre Beziehung keine Chance hatte. Julia freute sich bestimmt über Xaviers Rückkehr, wie er selbst sich über die von Milla gefreut hätte.
Wieder klingelte das Handy. Wieder Julia.
»Ich wünsche dir Glück, Liebling«, flüsterte er. »Ich werde dich immer lieben.«
Kit Crawford begann zu weinen wie ein Kind.
55
Irgendwie gelang es Julia, die folgenden Tage zu überstehen. Wie schon so oft fand sie Trost am Klavier, das ihr nicht nur eine willkommene Fluchtmöglichkeit vor der Realität, sondern auch Schutz vor Xaviers permanenter Aufmerksamkeit bot. Julia wusste, dass er ihr seine Liebe beweisen wollte und sich nichts sehnlicher wünschte als ihre Erwiderung, doch im Moment war sie dazu nicht in der Lage. In ihrem Innern herrschte Leere.
Nachdem Julia den Nachmittag am Klavier verbracht hatte, schenkte sie sich ein Glas Rosé ein und setzte sich auf die Terrasse, wo kurz darauf das Handy klingelte. Auf dem Display erschien Alicias Nummer.
»Hallo?«
Am anderen Ende war Schluchzen zu vernehmen.
» Alicia, was ist denn?«, fragte Julia.
»Ach, Julia! Ich …«
»Versuch, dich zu beruhigen, und sag mir, was los ist.«
»Nein. Es ist schrecklich! Kann ich zu dir nach Frankreich kommen? Ich muss hier weg. Max sagt, er nimmt sich ein paar Tage frei und passt auf die Kinder auf. Ich weiß, du hast selber genug um die Ohren, aber … ich brauche dich.«
»Natürlich kannst du kommen. Ist irgendwas mit Max?«
»Nein. Ich bin das Problem!«
»Bist du krank?«
»Nein, mir geht’s gut. Bitte, Julia … Ich könnte gleich morgen einen Flug nehmen und am Nachmittag bei dir sein. Würdest du mich in Toulon abholen?«
»Klar. Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Nein, lass mich nur eine Weile bei dir unterschlüpfen, damit ich meine Gedanken sortieren kann. Ich will nicht vor den Kindern die Krise kriegen.«
»Ruf mich an, sobald du den Flug gebucht hast. Ich hole dich morgen ab. Was auch immer es sein mag: Es lässt sich bestimmt geradebiegen.«
»Leider nicht. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Danke, Julia. Ich ruf dich später noch mal an.«
Julia war schockiert, sie so aus der Fassung zu hören. Was war nur geschehen, dass Alicia ihre vier Kinder allein ließ?
Xavier, der einige Stunden später nach Hause kam, erzählte ihr, er habe in Saint-Tropez Freunde getroffen und sich mit ihnen zur Feier des Tages ein paar Drinks genehmigt. Er sprach undeutlich, stellte Julia angewidert fest. Seine Schwäche für Alkohol war in ihrer Ehe seit jeher ein Problem gewesen. Wenn Julia ihn darauf hinwies, dass er zu viel getrunken habe, wurde Xavier aggressiv und stritt es ab.
Als Agnes am Abend das Essen auf der Terrasse servierte und Xavier sein Glas füllte, sagte Julia nichts, weil ihr die Energie für eine Auseinandersetzung fehlte.
»Morgen kommt meine Schwester. Sie möchte ein paar
Tage bleiben«, teilte Julia ihm mit, während sie in ihrem Fisch herumstocherte.
Xavier runzelte die Stirn. »Die perfekte Alicia gibt uns die Ehre?«
»Sprich nicht so über meine Schwester. Irgendwas ist los. Sie wollte mir nicht sagen, was, klang aber ziemlich durcheinander. «
»Vielleicht ist das Lieblingshemd ihres Mannes in der Bügelwäsche verloren gegangen«, spottete Xavier.
Julia wechselte das Thema. »War das mit Le Figaro heute dein letztes Interview?«
»Das liegt ganz bei mir. Ich habe mehrere andere Anfragen und ein Angebot, meine Memoiren zu schreiben. Sie bieten mir eine Menge Geld dafür. Was hältst du davon?«
»Wir brauchen das Geld nicht.«
»Und die Leute von Paris Match würden gern herkommen, um uns beide zu interviewen.«
»Nein. Ich habe dir gesagt, dass ich nur einmal vor die Presse trete.
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