Orchideenhaus
ehelichen Pflichten nicht würde erfüllen können.« Er sah Olivia in die Augen. »Olivia, bitte glaub mir: Das, was in jener Nacht passiert ist, tut mir entsetzlich leid. Ich hatte furchtbare Angst.«
Obwohl Olivia entschlossen war, Harry kein Wort zu glauben, erkannte sie die Ehrlichkeit in seinem Blick. Wenn er ihr tatsächlich nicht die Wahrheit sagte, war er ein ausgezeichneter Lügner.
»An dem Abend, als ich dich mit Elsie allein gelassen habe, bin ich in die Bibliothek gegangen, um mir mit einem Brandy Mut anzutrinken. Archie hat mich dort aufgespürt und mir seine Liebe gestanden. Ich war wütend und verwirrt und habe ihn gebeten, mich in Ruhe zu lassen.« Harry seufzte. »Während du im Schlafzimmer auf mich gewartet hast, bin ich mit einer Flasche Brandy im Park herumgewandert. Das schwöre ich beim Leben meiner Mutter.«
»Verstehe.« Olivia ließ eine Handvoll Sand durch ihre Finger rieseln.
»Wie du weißt, ist Archie drei Wochen später, an Weihnachten, noch einmal aufgetaucht. Zu dem Zeitpunkt war meine Verwirrung vollkommen. Ich sah dich, deine Anmut, Sanftheit und Schönheit, und wie verletzt du warst über mein Verhalten.«
»Dann wusstest du also, dass das, was du getan hattest, falsch war?«
»Natürlich, Schatz! Ich wusste nur nicht, wie ich es wieder ins Lot bringen sollte. An dem Abend hast du mich gerade in dem Moment erwischt, als ich Archie gesagt hatte, ich wolle ihn nicht wiedersehen, ich sei nun überzeugt davon, dich zu lieben, und werde dir ein guter Ehemann sein. Da hat er mich an sich gedrückt und geküsst.«
»Soweit ich das beurteilen konnte, hast du dich nicht gerade gewehrt«, warf Olivia ein.
»Ein paar Sekunden später hättest du gesehen, wie ich mich aus seiner Umarmung zu befreien versuchte. Er hat mich fast erdrückt. Ich« – Harry traten Tränen in die Augen – »fand es schrecklich! Es fühlte sich falsch und unnatürlich an, und ob du es glaubst oder nicht: Ich bin ein Mann !«
Olivia schwieg.
Es dauerte einige Sekunden, bis Harry sich gefasst hatte. Dann ergriff er ihre Hand und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Noch eines möchte ich dir sagen, Liebes: In den vergangenen Monaten ist nicht nur meine Bewunderung für dich gewachsen, sondern auch meine Liebe zu dir. Weil ich mir jetzt über meine Natur im Klaren bin und Archie keinen Einfluss mehr auf mich hat, sind meine Triebe zum Leben erwacht. Olivia, ich kann verstehen, wenn du mich widerwärtig findest, aber ich begehre dich. Wie jeder normale Mann seine Frau begehrt.«
Er strich ihr sanft über die Wange, und sie zuckte nicht zurück. »Du bist so schön. Es tut mir alles so leid.«
»Ach, Harry, ich …« Sie fand seine Berührung bestürzend angenehm und tröstlich. »Es hat mich fast kaputt gemacht«, flüsterte sie. Harry rückte näher zu ihr und legte einen Arm um ihre Schulter.
»Ich weiß, Schatz. Mir ist klar, wie sehr ich dich verletzt habe und dass ich es vielleicht nie schaffen werde, die Sache wieder zurechtzurücken. Doch wenn du mir verzeihst und mir eine Chance gibst, würde ich es wirklich gern versuchen«, flehte er. »Ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist: Ich enttäusche dich nicht.«
Da begann sie hemmungslos zu weinen. Er legte beide Arme um sie. »Liebes, du bist stark und mutig und schön. Was
mehr könnte ein Mann sich von seiner Frau wünschen? Ich weiß, was für ein unglaubliches Glück ich habe, und werde alles tun, um dich nicht zu verlieren.«
»Harry, ich habe dich so sehr geliebt. Wie soll ich dir je glauben, dass du meine Liebe erwiderst? Dass du nicht nur deine Haut retten willst? Wie kann ich dir vertrauen?«
Er strich ihr übers Haar. »Du weißt doch, dass ich ein schlechter Lügner bin.«
Sie musste lachen. »Stimmt. Es war von Anfang an klar, dass etwas nicht stimmt, schon vor der Hochzeit.«
»Siehst du! Ich trage das Herz auf der Zunge; daran wird sich nichts ändern. Olivia, ich weiß nicht, wie viel Zeit mir bis zu meinem Einsatz an der Front bleibt. Bestenfalls ein paar Monate, im ungünstigsten Fall ein paar Tage. Ich wollte keinen Druck auf dich ausüben, dich jedoch auch nicht im Unklaren lassen. Der Gedanke, dass ich dein Leben ruiniert habe und du, falls ich nicht zurückkehre, keinem anderen Mann mehr vertrauen kannst, war mir unerträglich. Nun reise ich immerhin mit dem Gefühl ab, dir die Wahrheit gesagt zu haben. Egal was du glauben magst: Ich liebe dich. Von ganzem Herzen.«
Nun war es an Harry zu weinen, und Olivia
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