Orchideenstaub
Bargeld. Aber das Haus ist einiges wert.“
„Ich verstehe, eigentlich willst du aber wissen, ob du das hier noch durchziehen sollst, oder ob du sagst: Hasta la vista, babies! Stimmt’s?“
„Zugegeben, ich hab ein paar Mal überlegt das Handtuch zu schmeißen, aber das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Außerdem …“
„Ist da jemand, für den du dich interessierst, es dir aber noch nicht eingestehen willst, weil Lina noch in deinem Kopf rumschwirrt. Und dieser jemand benötigt dringend deine Hilfe“, beendete Juri den Satz.
Sam machte ein paar Mal Anstalten zu widersprechen, ließ es aber sein. Er trauerte zwar noch um Lina, aber sie wurde mit jedem Tag blasser. Er akzeptierte allmählich, dass sie nicht mehr zurückkommen würde und ein Mönchsdasein wollte er nun auch nicht für den Rest seines Lebens führen. „Lea hat etwas über ihren Bruder entdeckt, das so schlimm ist, dass er sie dafür sogar umlegen würde. Ich bin sicher, dass er den Auftrag dafür erteilt hat.“
„Na, dann würde ich sagen, wir schauen uns das Heim heute Nacht mal von Innen an.“
Sam nickte und dachte plötzlich wieder an seinen Namen, der mehrfach umkreist auf Linas Blatt gestanden hatte, neben dem Wort Tod . Forderte er das Schicksal heraus, indem er sich auf solche Aktionen einließ? Aber das Heim konnte er auch nicht mit einem trompetenförmigen Gebilde in Verbindung bringen und er verwarf den Gedanken wieder. Es würde schon nichts passieren.
Juri nahm einen Anruf von Juan Carlos entgegen. Der Deutsch-Kolumbianer berichtete, dass heute eine junge Frau angereist war, die mit Judith Weinmann und Rafael ins Heim gefahren war. Die junge Frau hieß Elisabeth Lincoln, war Amerikanerin und aus Los Angeles angereist.
„Vielleicht will sie Geld ins Heim investieren“, dachte Sam laut. „Was ist sie von Beruf? Auch Ärztin?“
Juri gab die Frage weiter und antwortete: „Sie ist Galeristin. Zumindest hat sie das bei der Einreise angegeben.“
„Hm. Vielleicht eine sehr reiche Galeristin mit einem wohltätigen Herz.“
„Gut möglich“, erwiderte Juri und drückte auf seinem Blackberry rum, während Sam ihm erzählte, dass die Recherche nach einem Gast, der zu den fraglichen Zeitpunkten der Morde in allen drei Hotels residiert hatte, erfolgreich gewesen war.
Juri sah jetzt auf und wartete, dass Sam den Namen ausspuckte.
„Boris Seelig. Deutscher. Er ist vor etwa zwei Monaten in Medellin von einem Unbekannten auf einem Motorrad erschossen worden, weil er sich weigerte, ihm das Geld auszuhändigen, das er gerade abgehoben hatte.“
„Wahrscheinlich dunkelblond mit grauen oder blauen Augen, stimmt’s?“, schlussfolgerte Juri.
„Und er war einssiebenundsiebzig groß“, fügte Sam hinzu.
Diese Beschreibung hatte Harry Steiner auch in etwa abgegeben. Eigentlich könnte man unter all den dunkelhaarigen und braunäugigen Menschen hier in Kolumbien, so einen Typ recht schnell herausfiltern, dachte Sam. Aber wer ihm stets dazu einfiel, war Rafael Rodriguez, auf den diese Merkmale auch zutrafen.
57.
Lea wachte immer wieder aus ihrem Dämmerschlaf auf, doch niemand schien es zu bemerken. Sie versuchte die Augen zu öffnen, konnte es aber nicht. Sie waren wie zugeklebt. Wo war sie nur? Sie erinnerte sich an den Schmerz, der sich wie ein Blitz durch ihren ganzen Körper gezogen, sich ausgebreitet und ihr die Luft zum Atmen genommen hatte. Dann kam die Dunkelheit, Licht, Stimmen, wieder Dunkelheit.
Woher kam dieses Piepen? Herzfrequenz. Es war der Rhythmus der Herzfrequenz. Ihres Herzens, dachte Lea. Sie bekam Panik, der Schlauch in ihrem Hals ließ sie nicht selbst atmen.
Verdammt, merkte denn keiner, dass sie wach war. Hilfe!, schrie es in ihr. Wo war Nathalia? Sie hatte oft an ihrem Bett gesessen und mit ihr geredet. Was hatte sie noch gesagt? Sie würde auf sie aufpassen? War sie in Gefahr? Sie versuchte sich zu bewegen, aber es war unmöglich. War sie vielleicht querschnittgelähmt? Vielleicht lag sie aber auch im Wachkoma? Wieder überfiel sie das Gefühl der Panik.
Endlich betrat jemand das Zimmer. Hallo? Hallo! Ich bin wach. Hört mich denn keiner?
„Hier ist eine Patientin, sie hatte einen Unfall. Seit zwei Tagen hirntot. Ihre Daten sind perfekt.“
Hirntot? Sie war doch nicht hirntot. Was für ein Unsinn. Aber vielleicht redete er über eine andere Patientin, die neben ihr liegen musste.
„Sollte das nicht funktionieren, haben wir noch eine andere kompatible
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