Orchideenstaub
Wolltest du, dass wir auffliegen, Mission geplatzt spielen?“
Sam lachte wieder. „Keine Ahnung, was los ist …“, gluckste er.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du hast einen Trip eingeschmissen. Aber ich weiß, dass du nur hysterisch bist … So komm jetzt. Nach was suchen wir?“
„Gute Frage. Ich weiß es nicht. Ich bin gerade total blank im Hirn.“
„Mensch reiß dich zusammen, Sam.“ Juri war fast wütend, aber in seinem Herzen konnte er Sam verstehen, nur zum Lachen war ihm gerade wirklich nicht zumute. Er holte eine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche und leuchtete den Schreibtisch ab. Er war aufgeräumt bis auf einen Stapel Akten und einen Planer.
Sam kam langsam wieder zu sich und nahm die ersten Akten vom Stapel. Er blätterte sie durch, überflog die Einträge. Kürzel, medizinische Ausdrücke, die ihm nichts sagten. Die dritte Akte trug den Namen: Lea Rodriguez. Seit zwei Tagen hirntot, las er. Abgeschaltet am … Sam überlegte welches Datum sie heute hatten. Er war sich nicht ganz sicher, aber es schien das Datum von heute zu sein, mit der Uhrzeit von vor drei Stunden. Dann lag Lea wahrscheinlich nicht mehr auf ihrem Zimmer, sondern in der Leichenhalle. Aber warum war die Familie nicht hier?
„Was ist?“, fragte Juri, der sich weiter umgesehen hatte.
„Lea scheint seit zwei Tagen hirntot zu sein. Sie haben alle lebenserhaltenden Maschinen abgestellt.“
Juri sah ihn skeptisch an. „Das ist doch Quatsch. Das hätte Nathalia doch mitbekommen. Los, zeig mir das Zimmer von ihr dann überzeugen wir uns selbst davon.“
Inzwischen war das Licht auf dem Flur wieder ausgegangen und Sam hoffte nicht, dass es durch Bewegungsmelder gesteuert wurde und sie gleich im Hellen standen. Sie waren kaum aus dem Zimmer getreten, als das Licht plötzlich anging. „Scheiße“, fluchte er leise und beide verschwanden wieder in Rafaels Büro. Sam lauschte an der Tür und öffnete sie einen Spalt. Kein Mensch war zu sehen. Von irgendwo weiter vorne hörte man einen Fernseher laufen. Wahrscheinlich aus dem Schwesternzimmer, das sie noch passieren mussten. Dann wären es nur noch ein paar Türen zu Leas Zimmer. Laut Nathalia hatten nur eine Schwester und ein Pfleger heute Nacht Dienst. Im Notfall würden sie die beiden ausschalten. Juri war Kampfsportler und kannte sich bestens damit aus, wie man jemanden lautlos niederstrecken konnte.
Sie verließen erneut das Büro und gingen auf Fußspitzen auf das Schwesternzimmer zu. Zu ihrer Überraschung war es leer. Vielleicht waren beide mit einem Patienten beschäftigt. Noch ein paar Meter, und sie standen endlich vor Leas Zimmer. Sam öffnete die Tür einen Spalt und steckte seinen Kopf hinein.
Die Beatmungsmaschine gab immer noch die gleichen zischenden Geräusche von sich, der Herzmonitor piepte rhythmisch vor sich hin und Lea lag immer noch wie ein toter Engel in ihrem Bett. Sie traten an das Bett heran.
„Okay das Herz ist normal, woran sieht man, ob sie hirntot ist oder nicht?“
„Dafür muss man ein EEG machen.“
Sam sah auf den Monitor, der die Herzschläge aufzeichnete. „Sag mal, was für ein Datum haben wir heute?“
„Den zweiten. Warum?“
„Weil in ihrer Akte stand, dass sie am Dritten um neun Uhr abends gestorben ist. Sie stirbt also erst morgen?“
„Die Sache stinkt doch zum Himmel. Können wir sie nicht hier rausschaffen?“ Juri dachte fieberhaft nach und sah aus dem Fenster.
„Klar ich schmeiß sie mir über die Schulter, anschließend über die Mauer und ab geht die Post. Ich verstehe von den ganzen Kabeln nichts und den Schlauch will ich auch nicht aus ihrer Lunge ziehen.“
„Aber Nathalia hat selbst gesagt, sie könnte längst wieder selbstständig atmen, wenn Rafael sie aus dem Koma holen würde.“
Schritte näherten sich dem Zimmer und blieben vor Leas Zimmer stehen. Die Tür ging auf und Rafael betrat den Raum. Er setzte sich neben Lea aufs Bett und umschloss ihre Hand mit den seinen. „So, Schwesterherz, dann werde ich mal Abschied von dir nehmen. Morgen werde ich alle Hände voll zu tun haben und sicherlich nicht dazu kommen … Ich werde dich vermissen, kleiner Engel.“
Sam und Juri saßen direkt unter dem Fenstersims in einem Beet und lauschten den Worten von Rafael, der nun anfing zu weinen.
„Warum nur? Warum hast du nicht mit mir geredet? Wir hätten das anders regeln können.“ Er wischte sich die Tränen mit dem Handrücken weg und streichelte Lea über den Kopf. „Nur
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