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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Patientin. Keine Sorge, das ist ein Routineeingriff. Sie werden bald wie neu sein.“
    Routineeingriff? Von was redete Rafa da? Im Heim wurden keine Eingriffe gemacht. Oder lag sie in einer Klinik?
    „Die Patientin weint … sehen Sie nur.“
    „Sie ist tot. Das ist versiegende Tränenflüssigkeit. Passiert gelegentlich.“
    Lea merkte, wie ihr jemand grob am Auge rumtupfte, dann entfernten sich die Stimmen wieder, eine Tür fiel leise ins Schloss. Stille.
     
     

58.
     
     
     
    Es war eine mondlose Nacht. Die von Schlaglöchern übersäte Straße wurde nur alle zweihundert Meter von Laternen beleuchtet. Die beiden Männer, ganz in schwarz gekleidet, verschmolzen mit der finsteren Nische eines alten Hauses, in der sie sich seit einer Stunde versteckt hielten. Sie hatten kein Wort gesprochen und sich nur stumm Zeichen gegeben. Endlich näherte sich ein Motorrad dem Heim.
    Sam sah auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht.
    Der Motorengeräusch erstarb. Aus dem Wachhäuschen hinter dem Zaun trat ein Mann heraus und öffnete seiner Ablöse die Tür. Eine kurze Begrüßung, ein Lachen, dann begleitete der Wachmann, den Sam bereits kannte, seinen Kollegen den langen Weg zum Haupteingang hoch. Wie Nathalia gesagt hatte.
    Sobald die beiden im Gebäude verschwunden waren, lief Juri über die Straße, checkte das Schloss und ging alle Schlüssel durch. Es gab fünf, die passen konnten. Erst beim vorletzten öffnete sich die Tür. Sam schloss zu Juri auf und gemeinsam rannten sie in gebeugter Haltung an dem kleinen Wachhaus vorbei, an Büschen und Bäumen entlang direkt auf den Eingang zu. Über den beleuchteten Gang hinweg hatten sie jetzt Einblick in einen kleinen Raum. Die beiden Wachmänner waren in ein Gespräch vertieft. Der eine schnallte sich die Dienstwaffe um die Hüfte, während der andere bereits in Zivilkleidung seinen Rucksack packte.
    Sam und Juri blieben dicht an der Häuserwand gelehnt neben dem Haupteingang stehen und warteten. Juri machte ein Zeichen zum hinteren Teil des Heimes, aber Sam winkte ab. Nathalia hatte gesagt, dass in der Nacht alles abgeschlossen war, nur der Haupteingang blieb offen. Sie hatten also nur einen kurzen Moment Zeit, um hineinzuschlüpfen, und zwar genau dann, wenn beide Wachmänner den Weg wieder hinuntergingen und der andere das Grundstück verließ. Erst dann würde der Diensthabende seine Runde ums Haus antreten.
    Sam schwitzte. Die Nacht war mild und er war angezogen wie im deutschen Winter, mit schwarzer Wollmütze und Rollkragenpullover. Er kam sich plötzlich total albern vor. Wie in einem schlechten Söldnerfilm. Rambo ging ihm durch den Kopf, dann Brenner und plötzlich musste er unwillkürlich lachen. Die innere Anspannung ließ ihn fast hysterisch werden.
    Juri rammte seinen Ellbogen in Sams Rippen und sah ihn böse an. Doch als er Sam sah, der sich prustend die Hand vor den Mund hielt, musste er selbst lachen.
    Die beiden Wachmänner waren aus dem Gebäude getreten und schlenderten den Weg zum Tor hinunter. Plötzlich blieb der eine stehen und drehte sich um. „Hast du das auch gehört?“
    Der andere schüttelte den Kopf.
    „Doch ich bin sicher, da hat einer gelacht.“
    „Das kam aus dem Nachbarhaus. Hier gibt’s sonst nichts zu lachen.“
    Aber sein Kollege ließ sich nicht überzeugen und ging den Weg langsam wieder zurück, ohne die Büsche und Bäume aus den Augen zu lassen. Als er die Häuserwand entlang sah, war nichts zu entdecken. Alles war wieder still.
    Die beiden Männer waren kaum noch zu sehen, als Juri Sam ein Zeichen gab. Doch Sam blieb wie angewurzelt stehen.
    „Los jetzt …“, zischte Juri, „… auf was wartest du? Dass der Idiot zurückkommt?“
    Sam wünschte sich nichts sehnlicher, als jetzt in Ruhe auf dem Hotelzimmer zu sitzen und Musik zu hören, stattdessen schob Juri ihn mit aller Gewalt auf den Eingang zu. Dann war es zu spät zur Umkehr. Sie waren im Gebäude und liefen geduckt unter den ersten Fenstern entlang Richtung Rafaels Büro. Das war die erste Station, dann wollten sie runter in den Aktenraum. Was genau sie da suchen wollten, war Sam gerade entfallen. Überhaupt wusste er zurzeit gar nicht mehr, was das Ganze sollte. Juri bewies sich zum zweiten Mal als wahrer Meister in Türen öffnen. Es dauerte nur Sekunden, da hatte er den richtigen Schlüssel gefunden. Kaum waren sie im Büro, ließ sich Sam auf einen Stuhl plumpsen und atmete erst einmal tief durch.
    „Sag mal, hast du sie nicht mehr alle? Was sollte das?

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