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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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archivos de los pacientes“, antwortete Nathalia.
    „Der Aktenraum“, übersetzte Sam in Kurzform für Juri.
    Der Raum war verschlossen. Juri holte den Schlüsselbund hervor und suchte die Schlüssel durch. Doch Nathalia war schneller, sie wusste, welcher der passende war.
    Juri betrat als Erstes den Raum, während Sam die Wand nach einem Lichtschalter abtastete. Als er ihn schließlich gefunden hatte und das Licht anging, lag Juri auf dem Boden. „Okay, mach noch mal das Licht aus.“
    Sam tat wie ihm geheißen. Die plötzliche Dunkelheit ließ ihn nur türkisfarbene Flecken sehen.
    „Sieh mal da unten.“
    „Wo?“
    „Da wo der Schrank steht.“
    Tatsächlich war dort ein hauchdünner Streifen Licht erkennbar. Bei Licht untersuchten sie gemeinsam den alten schweren Holzschrank.
    Juri hatte die Scharniere an der Wand sofort entdeckt und zog das hölzerne Ungetüm langsam von der Wand weg.
    Vor ihnen lag ein düsteres nur von einer einsamen Birne beleuchtetes Gewölbe und Sam hatte ein kurzes Déjà vu. Er kniff einmal fest die Augen zu, um sich davon zu lösen.
    Im Schein der Taschenlampe konnte man in dem festen Sandboden nicht nur frische Fußspuren sehen, sondern hier war auch unverkennbar etwas Schweres durchgeschoben oder gezogen worden.
    Sam holte die Pistole aus dem Hosenbund, die Juan Carlos ihm – allerdings ohne Munition - gegeben hatte. Wenigstens war so im Notfall der Überraschungsmoment auf seiner Seite. Alles andere würde sich dann ergeben. Langsam näherten sie sich der Tür am Ende des niedrigen Ganges. Nathalia blieb auf drei Meter Sicherheitsabstand hinter den beiden zurück und sah sich immer wieder ängstlich um. Noch war es nicht zu spät, zurückzulaufen.
    Die beiden Männer hatten jetzt die von Holzwürmern zerfressene Tür erreicht. Sie tauschten Blicke aus, dann griff Sam an den Türknauf. Er ließ sich ohne Widerstand nach links drehen. Die Tür war einen Spalt offen und Sam gab ihr einen kleinen Stoß mit dem Fuß. Vor ihnen eröffnete sich nun der Blick zu einem perfekt eingerichteten, hochmodernen Operationssaal. Mitten im Raum waren zwei OP-Tische aufgestellt worden und auf beiden lag jemand oder etwas halb zugedeckt.
    Rafael stand mit dem Rücken zu den Eindringlingen.
    Sam blieb wie angewurzelt stehen und eine grauenvolle Szenerie, die kein halbes Jahr her war, passierte Revue. Lina. Er fühlte sich außerstande etwas zu sagen, geschweige denn zu handeln.
    Judith Weinmann stand mit dem Gesicht zu dem Trio. Sie hob den Blick und zeigte wortlos mit einem Skalpell auf die Gruppe. Rafael folgte dem metallischen Instrument in ihrer Hand, drehte sich um und ließ beide Hände sinken. „Das glaube ich nicht. Wie kommen Sie denn hier rein?“, sagte er überrascht.
    Juri sah zu Sam, der immer noch wie eine Steinstatue, die gerade in Medusas Antlitz geblickt hatte, in der Bewegung verharrte. Er trat an die Seite seines Partners und flüsterte ihm ins Ohr: „Sam! Lass mich jetzt nicht im Stich, okay!?“
    Es waren viele Geschichten im Umlauf gewesen, wie Sam seine Freundin in Kairos Stadt der Toten gefunden hatte. Aber erst jetzt wurde Juri klar, dass dabei in keinster Weise übertrieben worden war. Sam sah ihn mit glasigen Augen an. Er schien so weit weg zu sein. Juri nahm Sam die Waffe ab und richtete sie auf Rafael, während er sich langsam dem OP-Tisch näherte.  Er betrachtete eingehend den tiefen Schnitt in der Haut, aus dem dunkles Blut quoll.
    „Na da sind wir ja gerade noch rechtzeitig gekommen. Sie machen die junge Dame mal ganz schnell wieder zu und wecken sie auf.“ Er ging an den anderen OP-Tisch und blickte unter das Tuch. „Und die hier auch.“
    Judith Weinmann kam der Aufforderung nach, säuberte die Wunde und nähte mit geübter Hand den Schnitt wieder zu.
    Die sonst so schüchterne und zurückhaltende Nathalia erwachte plötzlich zum Leben, ging schnurstracks auf Rafael zu und gab ihm eine kräftige Ohrfeige. „Herzinfarkt? Nierenversagen? Sie sind nicht einmal vor einem Kind zurückgeschreckt. Und jetzt bringen Sie noch Ihre eigene Schwester um? Was sind Sie nur für ein Ungeheuer.“
    Rafael riss sich die Maske vom Gesicht und holte aus. Er schlug so kräftig zu, dass Nathalia einmal quer durch den Raum flog und benommen liegen blieb.
    Sam sah nur einen Schatten auf sich zukommen. Wie ein wilder Stier stürzte sich Rafael auf ihn und riss ihn von den Beinen. Als er einen stechenden Schmerz im unteren Bereich seines Bauches spürte, hatte er all seine Sinne

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