Orchideenstaub
wieder beisammen. Er drückte Rafaels Kinn nach oben und versuchte ihn abzuwerfen, doch Rafael war kräftiger als er aussah, er hing an ihm wie eine Klette und plötzlich hatte er das blutige Messer direkt über seinem Auge.
„Langsam absteigen.“ Juri drückte den Lauf der Waffe in Rafaels Nacken, packte ihn an seinem Kittel und zerrte ihn von Sam runter.
„Dafür werden Sie büßen!“
„Halten Sie den Mund, Rafael“, sagte Sam kalt, stand auf und versetzte ihm einen Kinnhaken. „Sie wären wahrscheinlich noch viele Jahre damit durchgekommen, hätten weiter fröhlich Geschäfte gemacht und unschuldige arme Irre ausgeschlachtet … aber ihr Vater hat leider seine Aufzeichnungen, in denen die Anfänge der ersten eigenen erfolgreichen Transplantationen beschrieben wurden, nicht richtig vernichtet.“
Rafael runzelte die Stirn. Er schien nicht zu verstehen, wovon Sam da redete.
„Es sollte wohl eine Art Wiedergutmachung an dem jüdischen Volk sein, an dem er und andere Nazis sich im KZ Mauthausen vor fast siebzig Jahren vergangen haben …“ Sam fasste sich an die Stichwunde, die Rafael ihm versetzt hatte. Sie war tief, aber klein. Als er die Hand wegnahm, war sie blutig.
Nathalia sah sich die Wunde näher an und setzte Sam auf einen Stuhl.
„Er hat die Organe hier an eine große jüdische Organisation in Medellin verkauft, die sich solche Verbrecher zu Nutzen gemacht hat. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass dabei unschuldige Menschen ihr Leben lassen … AUTSCH?!“ Sam verzog das Gesicht vor Schmerz, als Nathalia die Wunde desinfizierte und mit ein paar gekonnten Stichen zunähte.
„Wir sind davon ausgegangen, dass es sich um Unfalltote oder Opfer aus Schießereien handelte, die es ja hier in Kolumbien zuhauf gibt“, rechtfertigte sich Judith Weinmann.
„Die junge Frau, die da vor Ihnen liegt, ist Rafael Rodriguez’ Schwester. Er wollte sie opfern. Sie wird seit Tagen von ihm im künstlichen Koma gehalten, weil sie ihm auf die Schliche gekommen ist. Überprüfen Sie die Spender nicht?“
Judith Weinmann war nun etwas verunsichert. „Doch, das heißt, nein. Wir nehmen die Organe entgegen, zahlen dafür und fertig. Das hier war ein Ausnahmefall. Ich kenne Mrs. Lincoln persönlich, deshalb bin ich hier.“
„Und Sie haben sich natürlich nichts dabei gedacht, dass Sie Ihre Bekannte in Frankensteins Keller operieren.“
Judith Weinmann sah betreten zu Boden.
„Das hier ist Kolumbien, Mr. O‘Connor. Fahren Sie nach Deutschland zurück und kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck. Meinen Sie in China kräht auch nur ein Hahn danach, dass man den zum Tode verurteilten nach der Exekution die Organe entnimmt und damit Leben rettet? Das nenne ich gute Organisation“, warf ihm Rafael entgegen. „Leider gibt es hier keine Todesstrafe.“
„Sie haben Ihr Heim als Ersatzteillager benutzt. Und vor Ihnen, Ihr Vater. Können Sie das moralisch vertreten?“
„Ach du liebe Zeit kommen Sie mir doch nicht mit Moral oder Ethik. Wenn wir es nicht gemacht hätten, hätte es ein anderer gemacht. Verstehen Sie denn nicht? Wir retten Leben. Organe sind rar. Arme Menschen in aller Welt verkaufen ihre Nieren für kleines Geld, umgehen Gesetze um zu überleben. In Deutschland macht man Aufrufe zur Organspende, und eine Lobby entscheidet, wer das nächste Herz, die Leber oder Niere bekommt. Aber da stehen Tausende auf den Wartelisten, deren Leben von Zeit abhängt. Wir verkürzen die Zeit und schenken Leben …“
„Indem Sie es anderen nehmen?“, erwiderte Sam spöttisch.
„Hier hat ein Bekloppter, der eh nichts mehr mitkriegt, mindestens zehn Menschen neue Lebensqualität geschenkt“, erklärte Rafael arrogant.
Sam holte noch einmal aus und schlug dem Kolumbianer seine Faust direkt ins Gesicht. Es knackte kräftig. Rafaels Nase schwoll augenblicklich an.
„So jetzt sind wir quitt. Draußen wartet die Fiscalía auf Sie. Den können Sie dann von Ihren lebensrettenden Maßnahmen erzählen.“
Juri packte Rafael und schob ihn in den düsteren Gang.
„Ihr Vater liegt übrigens im Krankhaus. Sie wissen nicht, ob er den Herzinfarkt überlebt. Zu wünschen wäre es ihm nicht.“
„Sie werden den illegalen internationalen Organhandel mit Ihrer Aktion nicht stoppen, und das wissen Sie auch!“
Im Stillen gab Sam Rafael Recht. Natürlich war dieser Mann nur ein kleiner Kiesel an einem Steinstrand. Und es war nur ein minimaler Verdienst, den er für sich einstreichen konnte. Aber er hatte an dem
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