Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
Vom Netzwerk:
verstanden hatte. Er sah auf die Uhr und stand auf. „Tut mir leid, aber ich habe noch eine Verabredung. Ich muss leider los.“
    Er hörte sie noch sagen, dass er jederzeit hier willkommen wäre, dann trat er auf die Straße hinaus und entfernte sich eiligen Schrittes von dem Restaurant.
    Es wehte ein eiskalter Wind, Ostwind, wie die Hamburger dazu sagten, der einem unter die Haut ging, aber Sam spürte nichts davon. Den Weg zum Hotel legte er wie ferngesteuert zurück.
     
     

20.
     
     
     
    KOLUMBIEN   Lea fuhr seit einer Stunde durch die Straßen des Barrios San Salvador . Eine Gegend, die man als Wohlhabender tunlichst meiden sollte, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie musste unbedingt mit Daniela, der Schwester von Aleida, sprechen. Sie war die Einzige, die vielleicht etwas über „ ein furchtbares Geheimnis“, das ihren Bruder betraf, wusste. Sie fuhr an einer Gruppe Jugendlicher vorbei, die ihr nachsahen und mit dem Finger auf sie zeigten.
    Hier hatten Banden das Sagen und täglich gab es Tote in diesen Vierteln, in die sich nicht einmal die Polizei hineintraute. Fremde durften nur nach Absprache und mit Genehmigung vom „ Patrón del Barrio “, dem Chef des Viertels, hier rein und mussten normalerweise eine „Eintrittsgebühr“ bezahlen. Und sie fuhr völlig unbedarft in ihrem kleinen BMW hier herum und suchte die verdammte Adresse. 51C 49-35 stand auf dem Zettel. Sie war zum vierten Mal in der 51C, aber die 49 schien es nirgends zu geben.
    Eine ältere Frau kam aus einem Hauseingang heraus. Lea hielt an, ließ das Fenster halb herunter und hielt ihr die Adresse hin. Der Erklärung nach, war sie nur eine Quadra von ihrem Ziel entfernt. Sie bedankte sich freundlich und fuhr die steile Straße weiter nach oben.
    Auf einem einfachen Holzbrett, das an einem Zaun lehnte, stand eine gekritzelte Neunundvierzig. Kein Wunder, dass sie das übersehen hatte. Sie hatte nach normalen blauen Straßenschildern Ausschau gehalten, nicht nach bemalten Holzlatten. Ein Blick in die Straße verriet ihr, dass hier die Ärmsten des Barrios wohnen mussten. Sie parkte den Wagen etwas weiter oben neben einem gelb gestrichenen Steinhaus und hoffte, dass er nachher noch dastehen würde. Dann machte sie sich mit dem kleinen Koffer, in den sie die paar Habseligkeiten von Aleida gepackt hatte, auf den Weg in die Höhle des Löwen.
    Der Weg war matschig, steinig und glitschig. Links standen Hütten, die mit alten Brettern zusammengeschustert worden waren, rechts kleine Steinhäuser. Und zwischen den Steinhäusern führten steile Treppchen aus Holz ins Nimmerleinsland des Viertels. Lea betete, dass sie da nicht hineinmusste.
    Drei Jugendliche kamen auf sie zu und betrachteten sie argwöhnisch. Sie antwortete mit einem Lächeln und fragte den Größten der drei, wo sie Daniela Betancourt finden könnte. Der Junge musterte sie von oben bis unten. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah, denn er machte ihr ein Zeichen, ihm zu folgen. Ein Vorteil dieser Viertel war, dass hier jeder jeden kannte, dachte Lea und setzte sich in Bewegung. Die anderen beiden gingen dicht hinter ihr. Keiner sprach ein Wort.
    Die Straße wurde zu einem kleinen Spießrutenlauf. Aus allen Winkeln und Ecken beobachtet von Gaffern, alt und jung, fühlte sie sich zunehmend unwohler. Sie drehte sich um, um die Distanz zu ihrem Auto abschätzen zu können und ihr wurde klar, dass sie trotz Turnschuhe nicht so schnell hier rauskommen würde, wenn man es nicht wollte. Vielleicht war die Idee doch nicht so gut gewesen, Aleidas Schwester aufzusuchen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Die Jungs halfen ihr mit dem Koffer über ein dünnes Brett, das über ein tiefes Schlammloch gelegt worden war, und führten sie links einen steilen Weg hoch, der wiederum über Stock und Stein ging. Schließlich zeigten sie auf eine alte Wellblechhütte und ließen Lea allein davor zurück.
    Es gab keine Tür zum Anklopfen, lediglich ein alter Vorhang hing vor dem Eingang.
    „Hallo“, rief sie leise und hoffte, dass man sie gehört hatte.
    Der Vorhang wurde zur Seite geschoben und vor ihr stand ein kleines mit Dreck beschmiertes Mädchen.
    „Ist Daniela da?“, fragte sie freundlich. Das Mädchen nickte und rannte wieder hinein. Lea folgte ihr.
    Daniela Betancourt stand am Herd und kochte. Sie drehte sich nicht um und hielt ihren Blick stoisch auf den Inhalt des Topfes gerichtet. „Was wollen Sie hier?“, fragte sie kalt.
    „Ich … ich hoffe, Ihnen hat die Beerdigung

Weitere Kostenlose Bücher