Orchideenstaub
gefallen. Ich …“
„Das ist das Mindeste, was man für einen langjährigen Sklaven tun kann, oder nicht? Eine anständige, würdevolle Beerdigung“, zischte Daniela und drehte sich zu ihr um. In ihren Augen stand der blanke Hass.
„Ich habe Ihnen ein paar Dinge von Aleida mitgebracht. Es ging alles so schnell, ich meine die Krankheit und … ich denke sie hätte gewollt, dass Sie ihre Sachen bekommen.“ Lea stellte den kleinen Koffer in die Mitte des Raumes, der Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer in einem für vier Personen war.
„Was wollen Sie wirklich?“
Sie war durchschaut worden und sie war sich sicher, dass Daniela genau wusste, was sie wollte. „Na schön, Ihre Schwester sprach von einem Geheimnis, was meinen Bruder betrifft. Leider war sie schon zu schwach mir zu erzählen, worum es ging und deshalb …“
„Gehen Sie“, sagte Daniela harsch. Sie stand nun dicht vor Lea, die Hände in die Hüften gestemmt und sah sie an, als hätte sie einen ekelhaften Riesenwurm vor sich stehen.
„O.k, ich gehe.“ Lea drehte sich zum Eingang um, wo das kleine Mädchen stand und den Vorhang zur Seite hielt.
„Wenn Sie irgendetwas brauchen sollten, zögern Sie nicht mich anzurufen. Ich meine, ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie … Sie sind doch Krankenschwester, oder?“
„Und? Sie müssten doch wissen, was eine Krankenschwester verdient. Sie arbeiten doch selbst in einer Klinik. Ihr Reichen seid Halsabschneider und Menschenverachter. Jemand wie ich bekommt ein Minimumgehalt, von dem man kaum existieren kann. Aleida hat nicht einmal das bekommen, mit der Begründung, dass sie in Ihrem Haus gegessen und geschlafen hat. Sie widern mich an, Lady.“
Lea konnte nichts dazu sagen. Die Frau hatte recht. Die Reichen wurden in ihrem Land immer reicher, weil sie die Arbeitskräfte regelrecht ausbeuteten und die Armen immer ärmer, weil jedes Jahr alles teurer wurde und in keinem Verhältnis zu der Erhöhung der Gehälter stand.
„Aber ein kleines Geheimnis kann ich Ihnen verraten. Wussten Sie, dass meine Schwester von Ihrem Vater entjungfert und von Ihren Brüdern gefickt wurde?“
Lea hielt den Atem an. Sollte sie das glauben oder war es nur eine erfundene Anschuldigung, die ihr hier entgegengeschleudert wurde. Ja, sie hatte solche Geschichten von anderen Familien gehört, aber ihre eigene?
„Verschwinden Sie.“
Lea verließ das Haus und ging mit gesenktem Kopf zurück zu ihrem Auto. Sie fühlte sich, als hätte sie einen Eimer Fäkalien über den Kopf geschüttet bekommen.
21.
HAMBURG Sam lief früh morgens um die Alster. Nach der langen Auszeit brannte seine Lunge und seine Beine wollten den Dienst versagen, aber er zwang sich, weiterzurennen. Er brauchte die Glückshormone, die beim Laufen freigesetzt wurden, außerdem löste er so oft Probleme im Kopf.
Nach vierzig Minuten kam er sich vor wie ein dampfender alter Kessel, dazu taten seine Ohren von der Kälte weh, seine Beine waren wie Gummi und der Lösung des Falles war er keinen Schritt näher gekommen. Er hatte zwar keine bahnbrechende Idee gehabt, aber irgendwo war da ein unbestimmtes Gefühl, dass er in einen neuen Abschnitt seines Lebens eintauchte. Warum das so war, konnte er sich nicht erklären, aber es fühlte sich irgendwie gut an, trotz der Prognose, dass er vielleicht bald dem Tod ins Auge sehen würde. Aber er konnte ihm genauso gut von der Schippe springen. Außerdem zweifelte er nach wie vor an solchen Wahrsagereien.
Der heiße Duschstrahl prasselte auf seinen Nacken und löste die kleinen Verspannungen. Dabei entschied er, den Tag ruhig anzugehen und sein Frühstück auf dem Zimmer einzunehmen. Er hatte den Gedanken kaum zu Ende geführt, als es an der Tür klopfte. Es war Juri mit ein paar frischen Lachsbagels, Schinkenbrötchen und einem Kaffee to go für Sam. Er bat ihn herein und freute sich, dass auch sein junger Kollege dazu beitrug, dass er sich besser fühlte.
„Ich habe dich schon angerufen, dachte du liegst noch in den Federn.“
Sam sah auf sein Handy: zwei Anrufe in Abwesenheit. Der eine war tatsächlich von Juri, die andere Nummer kannte er nicht, aber scheinbar hatte der Unbekannte eine Nachricht hinterlassen. Die Nachricht war nicht von heute morgen, sondern von gestern abend um elf Uhr dreißig, als er bereits geschlafen hatte. Sam biss in den Bagel und hörte seine Box ab. Erst konnte er die Stimme nicht einordnen, doch dann fing sein Herz an zu pochen.
Dr. Steiner hatte gestern Nacht
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