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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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dich Kunst?“
    „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber ich verbinde Kunst eher mit Ästhetik, Schönheit und etwas Besonderem. Kunst macht für mich niemand, der sich mit der Windel in die Ecke setzt und auf das Jahr des Hundes hinweist.“
    Sam musste lachen. Juri wählte gerne das Extreme.
    Sie schlenderten zwei Stunden durch das Museum, sahen sich unter anderem das weltbekannte Lächeln der Mona Lisa an und stritten darüber, ob das eine oder andere Bild nun Kunst oder nicht Kunst war.
    Gegen Nachmittag fuhren sie zum Kommissariat, wo sie einen übermüdeten Germain trafen, der alle Hände mit einem Mordfall zu tun hatte. Sam gab ihm den Namen und das ungefähre Alter des Franzosen, der mit auf dem Foto gestanden hatte. Francois Bellier. Dann erzählte er von dem Treffen mit Frau Rewe. Wieder konnte Sam sehen, dass Germain etwas im Kopf herumspukte.
    Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und sah eine Weile aus dem Fenster. Er schien einen inneren Kampf mit sich auszutragen. „Ich hatte Ihnen doch von meiner Entdeckung erzählt, die ich gemacht habe. Ich kann mich natürlich irren, aber …“ Jetzt drehte er sich zu den beiden deutschen Polizisten um. „Wissen Sie, wie jüdische Kinder in den KZs zu Tode kamen, außer dass man sie in die Gaskammer steckte oder ihnen ein Genickschuss verpasste?“
    Sam und Juri schüttelten gleichzeitig den Kopf.
     
    Neben ihm saß Juri und blätterte in der Bordzeitung der Lufthansa, während Sam schon eine ganze Packung Mentos vertilgt hatte. Sie hatten gerade den Start hinter sich und der Kapitän erklärte über Lautsprecher, dass der Flug nach München etwa ein einhalb Stunden betragen würde.
    Inzwischen hatte das französische Labor auf dem zweiten Zettel ebenfalls Spuren einer Orchidee gefunden und es bestand kein Zweifel mehr, dass sie absichtlich dort platziert worden waren.
    Sam hing seinen Gedanken nach, beobachtete die Wolken bei ihrer Neuformierung und versuchte, Gesichter und Tierformen darin zu sehen. Er hatte sich nie ausführlich mit dem gruseligen Kapitel des zweiten Weltkrieges und die Rolle der Deutschen beschäftigt. Er hatte Filme darüber gesehen wie Holocaust und Schindlers Liste und jedes Mal hatte er den Fernseher ausgeschaltet, weil die grausamen Akte der Unmenschlichkeit ihm die Tränen in die Augen getrieben hatten.
    „Also langsam glaube ich auch daran, dass unser Mörder so eine Art Rächer ist“, sagte Juri, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen.
    „Wenn er aus der Zeit des Holocaust und ein Überlebender ist, dann wäre er heute mindestens siebzig Jahre. Und wir gehen von einem jüngeren Mann aus. Er schmeißt uns kleine Häppchen hin und wir kauen darauf herum wie auf Gummi.“
    Sam stöhnte auf und drückte damit seine Verzweiflung aus, die ihm dieser Fall bereitete. Aber es war nicht das erste Mal, dass er das Gefühl hatte, überfordert zu sein und nicht weiterzukommen. Und dann war jedes Mal etwas passiert. Ein Zufall. Sein unberechenbarer Verbündeter, der ihm plötzlich Neues brachte und ihm Kraft gab weiterzumachen.
    „Denkst du, die Orchidee ist ein weiterer Hinweis?“
    „Da man Spuren auf beiden Zetteln gefunden hat, gehe ich mal schwer davon aus, dass er uns auch damit etwas sagen will.“
    Das Flugzeug flog nun durch die dunkelgrauen Wolken und Sam schloss die Augen. Den Kindern im KZ wurden die Arme festgehalten und dann wurde ihnen eine Giftinjektion ins Herz gespritzt, die sofort zum Tod führte.
     
     

27.
     
     
     
    WIEN   Den „Wiener Eistraum“, so nannte man die Eisfläche von sechstausend Quadratmetern vor dem beleuchteten Rathaus, auf der Jung und Alt auf Schlittschuhen ihre Pirouetten drehten.
    Leila lief jeden Sonntag auf der gesperrten „ Autopista “ in Medellin Inline-Skates, sodass sie keine großen Probleme hatte, sich aufrecht zu halten.
    Rafael saß dagegen mehr auf dem Hosenboden, als dass er stand. Erschöpft stellte er sich nach einer Weile an den Rand und winkte ihr zu, während sie eine weitere Runde drehte.
    Als sie an der Stelle vorbeifuhr, wo sie Rafael das letzte Mal gesehen war, war diese leer. Wo war er jetzt schon wieder? Sie sah sich um, versuchte ihn in der Menge auszumachen. Aber er hatte eine dunkle Jacke an, wie etwa neunzig Prozent der Leute hier. Plötzlich wurde sie von hinten fest umschlungen. Er lachte und zog sie runter vom Eis.  „Komm, lass uns ins Hotel gehen. Ich habe Karten für die Oper für uns bestellt.“
    Leila fühlte sich wie in einem

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